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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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denkst doch nicht etwa, dass ich ihr zur Flucht verhelfe, oder?“
    Die Tür fiel zu und sie waren allein.
    Chrothilde musterte Radegunde unverhohlen. Um ihre Augen lag ein Kranz unzähliger kleiner Fältchen, die sich über die Schläfen bis zu den weißen Haaren hinzogen. Pergamentartig spannte sich die Haut über den Jochbeinen und war mit lauter braunen Flecken überzogen. Die grauen Augen strahlten jedoch Lebenswillen und Güte aus.
    „Setz dich!“ Sie deutete auf einen Hocker ihr gegenüber. „Weißt du, warum ich gekommen bin?“
    „Nein. Aber ich vermute, es hängt damit zusammen, dass Chlothar mich zur Frau nehmen wird.“ Sie wunderte sich, wie glatt ihr dieser Satz über die Zunge ging.
    „Du hast Recht. Man hat mir berichtet, dass du eine sehr kluge und stolze Frau bist. Ich habe zuverlässige Quellen und ich vertraue ihnen. Deshalb habe ich den weiten Weg gemacht, um mit dir zu reden. Ich glaube, dass es für uns beide und für das Land der Franken wichtig ist.“
    Radegunde kam in Versuchung, eine schnippische Antwort zu geben, aber sie beherrschte sich. Was sollte ihr am Schicksal des Frankenlandes liegen?
    „Zunächst sollte ich dir vielleicht versichern, dass du mir absolut vertrauen kannst. Ich weiß, dass du nicht viel von meinem Sohn hältst, das hat dein Fluchtversuch bewiesen.“
    Radegunde schob ihre Unterlippe vor.
    „Du hast nicht ganz Unrecht mit deiner Skepsis. Ich verspreche dir, dass Chlothar nie etwas von unserer Unterredung erfahren wird. Spätestens wenn du mir zugehört hast, wirst du mir das glauben. Er weiß noch nicht einmal, dass ich hier bin.“
    „Aber er wird es erfahren!“ Radegundes Blick wanderte zur Tür.
    „Ja, das ist mir klar. Auch er hat seine Spitzel. Chlotberga, nicht wahr?“
    „Und ihre Tochter.“
    „Meine Dienerin Roda sorgt dafür, dass niemand lauscht, mach dir keine Sorgen. Dass ich meine zukünftige Schwiegertochter besuche, dagegen kann Chlothar kaum etwas haben.“
    „Was wollt Ihr von mir?“ Radegunde wurde ungeduldig.
    „Gemach, mein Kind. Wir haben Zeit. Zunächst werden wir uns näher kennen lernen, damit jeder von uns weiß, mit wem er es zu tun hat.“ Sie zog das Fell auf ihrem Schoß zurecht. „Sei so gut und hole uns von dem Kirschsaft, der drüben auf dem Tisch steht. Er ist einfach köstlich. Niemand kocht so guten Kirschsaft wie Sebila.“
    Genüsslich schloss sie die Augen, als sie den Becher ansetzte. Auch ihre sehnigen Hände waren von unzähligen Flecken überzogen.
    „Ich werde dir von mir erzählen, nur das Wichtigste zwar, aber ich werde ehrlich sein. Ich hatte das Glück, den Mann zu lieben, den ich heiratete. Das ist ein großes Privileg, Gott hat es sehr gut mit mir gemeint. Das einfache Volk liebt sich und heiratet, wir dagegen müssen die Bürde der politischen Ehen tragen. Dafür sind wir nicht gezwungen, uns um unser leibliches Wohl zu sorgen. Vielleicht ist das eine Art Gerechtigkeit nach Gottes Willen.“
    Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: „Du hast sicher schon viel von Chlodwig gehört, dem wirklich großen König der Franken.“
    Radegunde nickte. „Im Unterricht. Pater Athalbert und auch Magister Winzus …“
    Chrothilde lachte auf, es klang bitter. „Oh, auch meine Söhne nennen sich groß! Doch das Einzige, was an ihnen groß ist, sind ihre Worte. Leider haben sie so wenig von Chlodwig gelernt!“ Eine Weile schwieg sie.
    „Es war eine schöne Zeit, wir liebten uns und das Reich begann aufzublühen. Chlodwigs Macht wuchs und wuchs, als läge Gottes Hand auf seiner Schulter. Die Leute strömten ihm zu, um ihm zu dienen. Er war stolz, aber nicht hochmütig.“ Versonnen griff sie nach dem Becher. Er war leer. Radegunde sprang auf und schenkte nach.
    „Vier Söhne gebar ich ihm und eine Tochter! Unser Ältester, Ingomer, er starb am Tage seiner Taufe. Die Strafe der Götter, sagten die Alten, doch wir hörten schon längst nicht mehr auf ihre frevelhaften Worte. Auch Chlodomer, unser zweiter Sohn, wurde schwer krank, nachdem er getauft worden war. Doch sein Leben rang ich Gott ab, indem ich nächtelang betete. Chlodwig war sehr stolz auf seine Söhne. ‚Mein Reich wächst’, sagte er zu mir, ‚ich brauche Prinzen für dieses Land!’“ Die Sonne schien jetzt auf ihre Knie und sie schob die Felle beiseite.
    „Nach der siegreichen Schlacht gegen die Alamannen begriff er endlich, dass all die glücklichen Fügungen von Gott kamen, und er ließ sich an Weihnachten öffentlich taufen. Was war das

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