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Radikal

Radikal

Titel: Radikal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yassin Musharbash
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Samson saß vor einem seiner drei Computer, die er auf einem Tapeziertisch in seinem Büro aufgebaut hatte, wobei Büro ein Euphemismus war, zumindest eine irreführende Bezeichnung, denn Samson hatte lediglichmit ein wenig Verhandlungsgeschick erreicht, dass sein Vermieter ihm gegen einen geringen Aufpreis neben seiner Zweizimmerwohnung im fünften Stock des Altbaus in der Schreinerstraße auch noch einen abgetrennten Teil des Dachbodens überlassen hatte. Der Tapeziertisch stand unter einer Dachschräge, und die drei Monitore schmiegten sich regelrecht an die grobe Vertäfelung. Zwischen den Brettern lugte hier und da gelbe Isolierwolle hervor, asbesthaltig, wie Samson argwöhnte. Es war dennoch ein schöner Raum: 60 Quadratmeter, die durchaus einen Hauch von Loftatmosphäre verströmten, denn die Wand zu Samsons Linker und jene in seinem Rücken bestanden aus rotem Klinkerwerk, und der Blick aus dem kleinen Veluxfenster hatte etwas entschieden Urbanes; Mitte für Arme , dachte Samson manchmal. Einen Drehstuhl, einen Fernseher und einige Regale hatte Samson außer den Rechnern heraufgeschleppt. An Fleischerhaken an der Decke hing noch seine Tauchausrüstung. Zur Rechten des Tapeziertisches trennte derweil eine Plastikplane, die auf Dachsparren getackert war, sein Domizil von der anderen Hälfte des Dachbodens, die den Bewohnern des Hauses als Trockenboden zur Verfügung stand.
    Faktisch machte niemand davon Gebrauch. Außer Lena natürlich, die in der Wohnung neben seiner wohnte und es daher nicht weit hatte, wenn sie ihre Wäsche hier aufhängen wollte.
    Lena war Hebamme und hatte entsprechend exotische Arbeitszeiten. Schon mehr als einmal war es vorgekommen, dass Samson sie, während er nachts noch arbeitete, auf dem Dachboden getroffen hatte, weil sie nebenan ihre frisch gewaschene Wäsche aufhängte. Er vermutete, dass sie gerne nachts Wäsche aufhängte. Oder wenn schon nicht gerne, dann zumindest bevorzugt. Sie redeten dann meistens ein wenig miteinander. Und auch wenn sie ihn, das entnahm er ihren Anspielungen, offenbar für einen Computerspiele-Entwickler oder Internet-Pokerprofihielt, war Lena stets atemberaubend freundlich. Richtig nett , dachte Samson.
    Samson hätte nichts dagegen gehabt, wenn Lena in diesem Moment gekommen wäre.
    Sie kam aber nicht.
    Wahrscheinlich half sie gerade in diesem Moment einer Mutter dabei, ihr Kind zur Welt zu bringen. Das war wenigstens eine unbestreitbar sinnvolle Tätigkeit. Er nahm sich vor, ihr das bei nächster Gelegenheit zu sagen.
    »Und, wie hat es dir gefallen?«
    Es hat mir nicht gefallen! Und ich bin sauer, weil du mein Freund bist. Oder warst? Was weiß ich.
    Samson wollte nicht nachdenken. Er hatte sich eine Flasche Whiskey mit hochgenommen, dazu sein Lieblingsglas und ein bisschen Eis. Er würde arbeiten. Sein Blog aktualisieren. So wie immer.
    »Wofür brauchst du denn drei Rechner?«, hatte Lena gefragt.
    Ich brauche einen, der nicht am Internet hängt und nie hängen wird, aus Sicherheitsgründen. Der ist mein Archiv. Ich brauche einen zweiten für meine nachvollziehbare Existenz: der, über den mein Blog läuft. Er hängt am Internet, aber nur zu diesem einen Zweck, und um von hier aus meine privaten E-Mails zu lesen und so weiter. Der dritte ist der heiße Rechner: Er ist am Netz, aber er ist nicht auffindbar, sollte jemand ihn zurückzuverfolgen versuchen. Und den brauche ich, damit ich Abu Hakim sein kann, und Atiyatallah und [email protected] und noch ein paar andere Personen, die allesamt von diesem tapferen kleinen Rechner aus ihr heikles Informations- und Mitteilungsbedürfnis stillen und allerlei Dinge versenden oder herunterladen, wieder hochladen, in Chatrooms posten und an obskure E-Mail-Accounts weiterleiten.
    Das oder etwas Ähnliches hätte er Lena antworten können.
    »Na ja, ich mache hier ziemlich viel parallel«, hatte er stattdessen gesagt.
    Was freilich keine Lüge war.
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