Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Beflissenheit allzu sehr auf den Geist gehen, haben wir unsere Rollen dieses Mal besser abgesprochen. In erster Linie werden sich Sergio und Elisa um die Gäste kümmern. Vito wird sich aus Sicherheitsgründen in der Dependance aufhalten, während Fausto, Claudio und ich uns mit Handlangerarbeiten in Haus und Hof beschäftigen, um dem Ganzen einen aktiveren Anstrich zu geben.
Wir heißen unsere neuen Gäste willkommen. Nachdem sie sich für ein Zimmer entschieden und ein üppiges Frühstück genossen haben, wandern die beiden Verliebten ungeduldig auf dem Rasen umher. Als eine Stunde vergangen ist, ohne dass sich etwas getan hätte, versucht Elisa, sie abzulenken, und macht ihnen den Vorschlag, im Garten eigenhändig das Gemüse für ihr Abendessen auszuwählen. Der Trick funktioniert, aber bereits nach einer halben Stunde stehen die beiden wieder auf dem Rasen. Wenige Takte Musik genügen schließlich, um grenzenlose Begeisterung bei ihnen zu entfachen und um uns einen Seufzer der Erleichterung zu entlocken.
Die jungen Leute vertreiben sich den Tag damit, sich gegenseitig zu fotografieren und in Erwartung eines neuen Wunders im Garten herumzuschlendern. Erst gegen Abend, als das Essen auf dem Tisch steht, können wir sie zur Rückkehr ins Haus bewegen. Wir haben für sie einen kleinen Tisch vor dem Kamin gedeckt. Das Paar speist mit Blick auf das prasselnde Feuer und hält die ganze Zeit über Händchen.
Sergio nützt derweil die Zeit und schleicht in den Garten hinaus, wo er die Grünfläche mit Spatenhieben bearbeitet. Seine Technik hat Erfolg. Als das junge Paar einen letzten Versuch startet und wieder nach draußen geht, verschlägt es den beiden die Sprache. Überwältigt von mitreißenden Klängen und einem prachtvollen Sternenhimmel lassen sie sich auf dem Rasen nieder. Vito flüstert Sergio ins Ohr, dass es sich bei der Musik um den ersten Satz des Brandenburgischen Konzerts Nummer drei von Bach handelt.
Ich trage ein Bündel Holzscheite hinaus, und Sergio bringt zwei Gläser Wein.
» Das ist der dritte Satz … des … äh … Straßburgschen Konzerts … Also, das ist Bach«, erklärt er dem jungen Paar.
Dann entfernen wir uns diskret und lassen die beiden in inniger Umarmung allein vor dem Feuer zurück.
Am nächsten Morgen haben die beiden Fieber, aber es sind die beiden lebendigsten Fieberkranken, die mir jemals untergekommen sind. Sie hängen sich an ihre Mobiltelefone und teilen uns zwischen zwei Niesattacken mit, dass gegen Mittag ein paar Freunde eintreffen werden. Zwölf, vielleicht auch vierzehn.
Eine halbe Stunde später trifft auch die achtköpfige Gruppe ein, die wir erwartet haben – zu Faustos größter Freude in zwei dicken BMWs. Erst genießen wir abwechselnd den Anblick voll belegter Zimmer, ehe wir uns zu einem Krisengespräch zusammensetzen, um eine Lösung für das Problem zu finden, aus heiterem Himmel ein Mittagessen für mehr als zwanzig Personen auf die Beine stellen zu müssen – uns und die Camorristi noch gar nicht mitgerechnet. Doch zunächst gönnen wir uns fünf Minuten Auszeit und stoßen darauf an, dass unsere Casa dei Pazzi das erste Mal ausgebucht ist.
Die Erwartung der Neuankömmlinge ist groß, aber die Erde schweigt. Doch das macht uns keine Sorgen mehr. Inzwischen haben wir begriffen, dass das Warten ein fundamentaler Bestandteil des Erlebnisses ist. Wie beim Nordlicht. Man zieht los, ohne zu wissen, ob man es wirklich sehen wird. Unter Anleitung von Elisa zaubern wir fleißigen Küchenzwerge ein Mittagessen auf den Tisch, das alle überwältigt und uns Reservierungen für das Abendessen einbringt. Eine junge Frau bucht eine Massage, und als sie beglückt lächelnd zurückkommt, lassen sich sofort zwei weitere Gäste auf die Warteliste setzen. Fausto und Claudio haben sich in menschliche Registrierkassen verwandelt, die in Echtzeit unsere Einnahmen verbuchen und anhand dieser Summe, multipliziert mit der Anzahl der Vorbestellungen, die unvermindert auf unserem Mailaccount eingehen, unseren künftigen Gewinn hochrechnen.
Nach regelmäßigen Abstechern in die Küche, um Elisa zu helfen (und nebenbei ein Schlückchen Wein zu trinken), sind Fausto und Claudio sturzbesoffen und fangen an, mit astronomisch hohen Beträgen um sich zu werfen. So geht es den halben Tag. Doch mein Interesse ist schlagartig erloschen. In Gedanken bin ich oben in der Mansarde, wo mittlerweile der erste der beiden jungen Männer auf eine Massage wartet. Die Vorstellung, dass Elisas
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