Radio Miracoli und andere italienische Wunder
wenigen Vorschläge fallen immer mittelmäßiger aus, und die Moral der Truppe lässt alsbald zu wünschen übrig. Gegen zwei Uhr nachts beschließen wir, Bilanz zu ziehen. Außer Claudios erstem Vorschlag ist uns bisher nichts Besseres eingefallen als ein Incentive-Programm für Camorristi, die entsprechend der Anzahl der Gäste, die sie unserem Agriturismo zuführen, entlohnt werden sollen; weiterhin der Vorschlag, unser Schutzgeld in Naturalien zu bezahlen, plus dem Versprechen, für die örtlichen Camorra-Vertreter gratis Hochzeiten, Kommunionen und Firmungen auszurichten, maximal vier im Jahr. Dazu noch eine Reihe fantasievoller Ideen, um das verbrecherische Gesindel abzuschrecken, sprich: entweder, ein Abkommen mit den Carabinieri und der Polizei zu treffen, oder aber unser Haus den nationalen Judoka als Trainingslager zur Verfügung zu stellen. Fausto ist unzufrieden. Auch wenn von ihm bisher nur der Vorschlag mit dem Incentive-Programm stammt, betrachtet er uns mit missmutigen Blicken, als er die besten Vorschläge auf ein Blatt Papier schreibt. Nachdem die Aufstellung komplett ist, beschließen wir, ins Bett zu gehen, um am nächsten Morgen ausgeschlafen die Vorschläge noch einmal zu überdenken.
Nach nicht einmal zwanzig Minuten – als ich gerade das Licht ausgeknipst habe – weckt uns unser Feldwebel der Roten Armee für ein Manöver.
»Auf, auf, Jungs! Lärmschutzübung!«, ruft Sergio und hämmert an die Türen.
Der ruppige Befehlston geht uns gewaltig auf die Nerven, aber wir beschließen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Schließlich hat er den ganzen Tag allein im Keller geschuftet, ohne dass einer von uns ihm zur Hand gegangen wäre.
Claudio in einem der Bäder im oberen Stockwerk, Fausto im Aufenthaltsraum und ich im Garten – so stehen wir da und spitzen die Ohren, während Sergio in dem Zimmer, in das der Camorrista gesperrt ist, bestialische Laute ausstößt. Ich höre nichts, Claudio ebenso wenig, nur bis zu Fausto ist der Schall durchgedrungen, wenn auch sehr gedämpft.
»Wirklich?«, fragt Sergio ihn. »Das war keine Einbildung?«
»Du hast Bandiera Rossa gesungen«, erwidert Fausto säuerlich.
Wir kehren in unsere Betten zurück und lassen Sergio, der irgendetwas über das Türholz und den Effekt von Resonanzkörpern murmelt, allein zurück.
17
Wir gönnen uns noch ein paar Stunden Schlaf, ehe wir gegen zehn Uhr bleich und stumm wie die Zombies in die Küche hinunterschleichen. Ein Blick genügt, und mir wird klar, dass im klaren Licht des Morgens auch Fausto und Claudio die Vorschläge unseres Brainstormings als das ansehen, was sie sind: als Hirngespinste.
In der Küche treffen wir auf Sergio. Neben ihm steht Abu und studiert unsere To-do-Liste.
Irrigerweise überrascht mich Abus Anwesenheit mehr als Sergios versteinerte Miene.
»Was hier fehlt, sind Zucht und Ordnung«, schnauzt er uns an. »Die Arbeit erledigt sich nicht von selbst. Es geht nicht, dass man seinen Hintern erst um zehn Uhr morgens aus den Federn schiebt wie verwöhnte Damen der besseren Gesellschaft.«
»Ich nehme von dir doch keine Befehle entgegen«, erwidert Fausto und kneift böse die Augen zusammen.
Irgendwie fällt es ihm jedoch plötzlich schwer, Sergios Blick standzuhalten, und so verzieht er sich in Richtung der Kaffeemaschine. Ich spüre, dass ich schlichtend eingreifen sollte, aber völlig verschlafen, wie ich bin, überlasse ich das Feld den beiden Kontrahenten.
»Schau mich wenigstens an, wenn du mit mir sprichst«, knurrt Sergio.
»Vergiss nicht, dass du nur übergangsweise Gesellschafter bist. Um deutlicher zu werden – sobald du hast, was dir zusteht, wirst du gefälligst von hier verschwinden, um dich woanders als Boss aufzuspielen!«, brüllt Fausto.
Eine Weile verharren alle Mann reglos. Sergio und Fausto stehen sich Auge in Auge gegenüber wie zwei Revolverhelden, während wir anderen als neugierige Zuschauer an der Schwelle zum Salon den Atem anhalten. Plötzlich ein dumpfer Schlag, so unvermittelt, dass wir ein paar Sekunden brauchen, bis wir realisieren, was passiert ist, und Claudio zu Hilfe zu eilen, der der Länge nach hingefallen ist.
»Ach, nein, nicht schon wieder!« Fausto seufzt.
»Claudio! Oh, Claudio«, rufe ich und rüttle ihn an den Schultern.
Abu wirft Sergio einen fragenden Blick zu. Unser Befehlshaber schüttelt kaum merklich den Kopf.
»Und wir wollen der Camorra den Krieg erklären! Leckt mich doch an den Füßen!«, bricht es aus Fausto heraus.
Dann
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