Radio Miracoli und andere italienische Wunder
von der Giulia kein Laut mehr zu hören, und wieder einmal hegten wir die Hoffnung, dass die Batterie endgültig ihren Geist aufgegeben haben könnte.
Faustos unorthodoxe Aussaatmethode hat sogar nennenswerte Resultate hervorgebracht: Auf der ehemaligen Grube für den Swimmingpool ist dichtes Gras gewachsen. Vorsichtig setzen wir den Heizkessel ab und sinken kraftlos auf die Knie. Ich streiche mit der Hand über den Grasteppich. Fausto nimmt sein Feuerzeug und entreißt der Dunkelheit Momentaufnahmen der grünen Halme. Wirklich eine gute Arbeit. Ich lasse mich auf den Rücken fallen, und einen Moment später spüre ich, wie die anderen beiden sich neben mir ins Gras legen. Der Rasen verströmt einen würzigen Duft, und der sanfte Wind, der darüberstreicht, kitzelt mich an den Knöcheln.
»Das hier ist unser Land«, erklärt Fausto.
25
Mit nunmehr drei Gefangenen im Keller haben wir uns ein Ritual ausgedacht, das strengstens befolgt werden muss. Punkt eins: Die Camorristi anweisen, ins Bad zu gehen und die Tür hinter sich zu schließen. Punkt zwei: Sich mittels des Türspions versichern, dass Punkt eins exakt befolgt wurde. Punkt drei: Stets zu zweit und mit Sichelmessern bewaffnet den Keller betreten. Erst Sergio, dann Fausto. Punkt vier: Badezimmertür absperren. Und schließlich Punkt fünf: Mein Auftritt mit Tablett und Verpflegung.
Leise rekapitulieren wir die einzelnen Schritte, ehe Sergio vor die Kellertür tritt.
»Geht alle drei ins Bad, und macht die Tür hinter euch zu!«, ruft er.
»Einen Scheiß machen wir!«, erwidert der Schmächtige.
Einen Moment lang herrscht Verwirrung, dann deutet Sergio auf mich und auf das Guckloch. Ich kneife ein Auge zu und sehe, dass die beiden jungen Männer auf den Betten liegen und arrogant in die Luft starren. Vito, der aufgestanden war, setzt sich kopfschüttelnd wieder hin. Ich berichte alles mit leiser Stimme.
»Wenn ihr nicht sofort ins Bad geht, gibt es nichts zu essen!«, dröhnt Sergio.
»Behaltet euren Fraß!«
»Diese Idioten haben sich abgesprochen«, sagt Sergio zu uns und brüllt durch die Tür: »Nur zu. Ein bisschen Diät kann euch nicht schaden!«
Durch den Spion sehe ich, dass die beiden jungen Männer keinerlei Anstalten machen aufzustehen. Vito hingegen legt beide Hände auf die Schenkel und schüttelt erneut den Kopf. Als ich Sergio und Fausto nach oben folge, macht sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Diese erste Andeutung von Rebellion ist ein schwerer Rückschlag, nachdem wir gehofft hatten, dass sich die Situation normalisieren würde.
In der Küche treffen wir auf Claudio, dessen Blick sofort auf das Tablett in meinen Händen fällt.
»Und? Wollen sie nichts essen?«, fragt er.
»Sie stellen sich stur, aber das wird ihnen schon noch vergehen«, erklärt Sergio.
»Woher willst du das denn wissen?«, fragt Fausto.
»Kommen dir die drei vielleicht wie indische Gurus vor? Meinst du, die haben es im Kreuz, einen Hungerstreik durchzuhalten?«
»Woher willst du das wissen?«, wiederhole ich.
»Diese Typen haben sich ihr Leben lang von Junkfood ernährt … Wenn die nicht ihre tägliche Dosis an Konservierungsmitteln und Farbstoffen bekommen, drehen sie durch!«
»Es wäre naiv von uns zu hoffen, dass sie sich ruhig verhalten«, meine ich.
»Wie soll man Kerle wie diese auch im Käfig halten. Die sind an ein Leben in freier Wildbahn gewöhnt …«, fügt Fausto hinzu.
»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was diese Typen für ein Leben führen«, überlege ich laut.
Diese Frage veranlasst uns, uns umgehend an den Küchentisch zu begeben, um die Angelegenheit zu vertiefen. Wir kommen zu dem Schluss, dass zwei junge Burschen wie sie höchstwahrscheinlich den ganzen Tag auf ihrem Motorroller durch die Gegend kurven, ihr Geld beim Video-Poker verpulvern, am Samstag in die Disco gehen, um Mädchen abzuschleppen, am Sonntag im Stadion Nebelkerzen werfen oder aber zu Hause hocken, um sich vor dem Fernseher und an der Spielkonsole die Birne zuzudröhnen.
»Wir könnten ihnen ja einen Fernseher und ein Video-Poker-Spiel hinunterstellen«, schlägt Claudio vor.
»Klar doch, und einen Whirlpool auch noch!«, höhnt Fausto.
So dumm finde ich den Vorschlag gar nicht. Je besser es uns gelingt, unsere Gefangenen zu beschäftigen, desto weniger Zeit werden sie haben, um Fluchtpläne zu schmieden. Mir geht da eine Idee durch den Kopf – der reine Wahnsinn, aber wenn ich es raffiniert genug anstelle und Sergio auf meine Seite
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