Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Claudio.
»Wieso Collinetta ? L’Asinara haben wir gesagt!«
Fausto zieht aus einer Kassette die Seiten mit dem Protokoll unseres Brainstormings hervor und deutet nervös darauf.
»Nein, nein, signori ! Hier steht als letzter Name Casa dei Pazzi , und ihr habt alle Ja gesagt!«
»Ich habe nicht Ja gesagt, ich habe nur gelächelt!«, präzisiert Sergio.
»Und ich habe nur ›Tja‹ gesagt«, füge ich hinzu.
Es entbrennt die übliche Debatte. Jeder von uns ist überzeugt, dass die Entscheidung einstimmig für einen anderen Namen ausfiel, aber in Wahrheit haben wir nichts Passendes gefunden. Die Arbeit als Kreative langweilt uns zu Tode.
»Ich finde den Namen gar nicht mal so schlecht …«, meldet Elisa sich zu Wort.
Wir drehen uns zu ihr um, während sie sich langsam durch die Seiten klickt.
»Mir scheint aber, dass es ein noch größeres Problem gibt.«
Wir legen unseren Streit erst einmal auf Eis.
»Was für ein Problem?«, fragt Fausto.
»Das Wichtigste sind die Fotos … und die, die ihr ausgewählt habt, sind einfach grauenvoll.«
Schnell lässt sie die Fotos durchlaufen. Sie sind düster, die Zimmer wirken winzig. Ganz zu schweigen davon, dass sie vor ihrer Ankunft gemacht wurden, als das Haus noch entsetzlich eingerichtet war.
»Vom Text will ich gar nicht reden …«, fügt sie hinzu.
Wir beschließen, die Frage der Namensgebung fürs Erste zurückzustellen, und machen uns unter Elisas Oberaufsicht daran, alle Zimmer neu zu fotografieren. Der Unterschied ist bereits nach den ersten Aufnahmen des Wohnraums frappierend.
Als ich ein Fenster weit aufstoße, um mehr Licht in das Esszimmer hereinzulassen, höre ich ein Auto langsam in den Hof rollen. Hinter dem Vorhang verborgen, sehe ich, wie ein Streifenwagen der Ortspolizei nur wenige Meter vor der Eingangstür entfernt zum Stehen kommt.
»Die vigili urbani «, flüstere ich.
Einen Moment lang bricht Panik aus. Jeder denkt, dass das Erscheinen der Polizei mit dem Verschwinden der Camorristi zu tun hat. Sogar Sergio verliert für einen Augenblick seine sprichwörtliche Kaltschnäuzigkeit.
»Vito. Runter mit dir!«, sagt er.
»Wer ist Vito?«, fragt Elisa verwirrt.
»Fausto, setz dich mit Elisa und Claudio vor den Fernseher. Diego, du kommst mit mir!«, fährt Sergio fort.
»Was ist hier los?«, will Elisa wissen.
»Nichts, die sind bestimmt nur wegen dem Halteverbot hier …«, sagt Fausto und zieht sie zu sich auf das Sofa.
Kaum ist Vito in der Küche verschwunden, öffnen wir die Haustür und nähern uns lächelnd dem Streifenwagen.
»Hörst du nichts?«, fragt Sergio mit gepresster Stimme.
»Das macht sie mit Absicht, dieses Miststück!«, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ein heftiger, aus Richtung der Giulia kommender Trommelwirbel begleitet die Ankunft der beiden ungefähr fünfzigjährigen Polizisten. Derjenige, der auf der Fahrerseite ausgestiegen ist, hat grau meliertes Haar und trägt einen Schnurrbart, wie er seit mindestens dreißig Jahren aus der Mode ist; der andere, anscheinend der Ranghöhere, hat rabenschwarz gefärbtes Haar, das in der Sonne bläulich reflektiert. Die beiden Männer bleiben stehen, betrachten das Haus und beschließen erst nach mehr als einer Minute, auf unser Willkommenslächeln zu reagieren.
»Haben wir uns nicht schon mal auf der Wache gesehen?«, fragt mich der Boss.
Als er mir die Hand gibt, fallen mir drei goldene Armreifen auf, dick wie Handschellen.
»Ich kann mich nicht erinnern, kann schon sein. Ich bin mal wegen der Genehmigung für die Renovierungsarbeiten bei Ihnen gewesen«, antworte ich.
Inzwischen schlendert der andere genau in dem Moment in Richtung Garten, als ein weiterer Trommelwirbel losbricht. Doch die Art, wie die beiden das Anwesen mustern, beruhigt uns. Sie scheinen tatsächlich nur wegen einer Routinekontrolle hier zu sein.
»Wollen Sie nicht reinkommen?«, frage ich. Ich will unbedingt vermeiden, dass sie auf die Musik aufmerksam werden.
»Wenn es Sie nicht stört, möchten wir uns erst mal ansehen, was Sie hier draußen gemacht haben.«
»Natürlich, selbstverständlich. Ich begleite Sie.«
Wir folgen dem zweiten Polizisten, der, unnötig zu sagen, direkt in Richtung der Giulia geht. Die Musik ist immer deutlicher zu hören. In dem Bemühen, die Polizisten abzulenken, fange ich an, wirr loszuplappern.
»Wie Sie sehen, haben wir mit den Außenarbeiten noch gar nicht richtig begonnen«, erkläre ich und deute auf eine Hauswand, in der Hoffnung,
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