Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
dass ich das vor ihr nicht zugeben will. „Ist schon in Ordnung“, erwidere ich schnell, denn in diesem Moment entdecke ich Finn, der durch den braunen Flur das Atrium betritt.
„ Da ist er“, raune ich Zoe zu und schiebe sie vor mich her in seine Richtung. Obwohl sie ebenfalls zu dem braunen Gang blickt, scheint sie ihn noch nicht entdeckt zu haben, denn sie runzelt verwirrt die Stirn. „Wo?“
„ Er geht gerade an den Bänken vorbei, um sich in der mittleren Schlange anzustellen“, erkläre ich ihr, aber an ihrem Blick merke ich, dass ihr das auch nicht weiterhilft. Verzweifelt sucht sie die Reihen nach ihrem Bruder ab. „Sie sehen alle gleich aus“, stößt sie enttäuscht hervor. „Warum erkennst du ihn und ich nicht? Er ist doch mein Bruder!“
Beruhigend lege ich ihr eine Hand auf den Arm. „Du hast ihn seit einem Jahr nicht mehr gesehen und er hat sich verändert. Die Legion hat ihn den anderen angepasst.“
„ Aber er ist mein Bruder. Ich sollte ihn trotzdem erkennen. Er ist es, der seine Erinnerung verloren hat, und nicht ich.“ Sie ist voller Wut auf sich selbst und ich kann sie verstehen. Es würde mich umbringen, wenn ich nicht mehr in der Lage wäre, ihn von den anderen zu unterscheiden.
Wir bleiben direkt hinter ihm in der Reihe stehen. „Das ist er“, flüstere ich Zoe zu. Sie starrt angestrengt auf seinen Hinterkopf, aber schüttelt nur den Kopf. „Bist du dir sicher?“
„ Auf jeden Fall“, bestätige ich ihr und in diesem Moment dreht sich Finn fragend um. Als er mich sieht, zieht er wütend die Augenbrauen zusammen, ohne jedoch etwas zu sagen.
Gleichzeitig hellt sich Zoes Gesicht auf. „Du hast recht, das ist er. Niemand sonst kann so böse schauen wie er.“
Zoes Worte irritieren Finn sichtlich. „Was soll das? Woher kennst du mich?“, fährt er sie misstrauisch an.
„ Ich bin deine Schwester“, sagt sie leise, aber eindringlich zu ihm. „Deine kleine Schwester Zoe, erinnerst du dich?“, fügt sie liebevoll hinzu.
Finn schüttelt nur verärgert den Kopf. „Hat sie dir das erzählt?“ Er deutet dabei auf mich. „Glaub ihr kein Wort. Sie ist verrückt.“
„ Nein, ist sie nicht. Sie ist unsere Freundin. Du kannst ihr vertrauen. Sie wird uns helfen, hier rauszukommen“, versichert ihm Zoe und Finn schnappt geschockt nach Luft.
„ Hier raus? Seid ihr denn beide wahnsinnig? Jeder, der die Sicherheitszone verlässt, muss sterben. Die Erde ist radioaktiv verseucht.“
Zoe schüttelt mit geduldigem Lächeln den Kopf. „Wir wurden beide außerhalb der Sicherheitszone geboren. Dort ist schon lange nichts mehr verseucht. Du warst bei meiner Geburt dabei und hast mich als Erster im Arm gehalten. Weißt du noch? Du warst noch so klein, dass du mich kaum halten konntest.“
Ihre Worte lösen rein gar nichts bei Finn aus, außer vielleicht noch mehr Wut.
„ Hört auf damit. Ich will davon nichts hören“, stößt er wütend aus und dreht uns wieder den Rücken zu.
Seine abwehrende Haltung macht Zoe zornig. Sie packt Finn grob an der Schulter und dreht ihn bestimmt zu sich herum. „Es ist mir egal, ob du es hören willst oder nicht, aber du mein Bruder. Ich werde dich schon dazu bringen, dich zu erinnern, und wenn ich dir deine Erinnerung eigenhändig einprügeln muss.“
Erschrocken wehrt er ihre Hand von seiner Schulter ab. „Du bist verrückt, deshalb bist du auch auf der Krankenstation. Sie hätten dich nicht rauslassen dürfen, denn genau dort gehörst du hin.“
Ich kann Zoe gerade noch davon abhalten, auf Finn loszugehen. Mit meiner ganzen Kraft zerre ich sie von der mittleren Reihe zu der rechten. „Beruhige dich! Wenn du dich auffällig benimmst, lassen sie dich nie wieder in die Sicherheitszone!“
Sie schnappt immer noch empört nach Luft und sendet wütende Blick in Finns Richtung, der uns nicht einmal mehr beachtet. „Er kann mich doch nicht einfach vergessen haben!“
„ Er wurde von der Legion operiert. Es ist nicht seine Schuld!“
Zoe ballt ihre Hände zu Fäusten. „Das werden sie mir büßen. Die Legion hat uns schon viele schlimme Dinge angetan, aber das ist eindeutig das Grausamste von allen. Irgendwann kommt der Tag, an dem ich mich für all das an ihnen rächen werde.“
Auch wenn ich ihre Wut verstehen kann, teile ich ihre Ansicht nicht. „Ihn vergessen zu lassen, war für die Legion die einzige Möglichkeit, ihn am Leben zu lassen. Sie sahen in ihm eine Gefahr, vor der sie sich schützen mussten.“
„ Willst du etwa
Weitere Kostenlose Bücher