Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
behaupten, die Legion hätte Angst vor den Rebellen?“, wirft sie mir mit ironischem Lachen vor.
„ Ganz genau“, bestätige ich ihr, doch Zoe glaubt mir kein Wort.
„ Warum sollten sie? Sie sind stärker als wir!“
„ Das waren sie vielleicht einmal, aber das sind sie nicht mehr. Erst heute Nacht ist die nördliche Legion gefallen.“
Erstaunt blickt sie mir entgegen. „Ist das wirklich wahr?“
„ Die Rebellen aus dem Norden und Osten haben sich zusammengeschlossen. Es gibt bereits seit Wochen Angriffe.“
Ein Lächeln des Triumphs tritt auf ihr Gesicht. „Endlich bekommen die Schweine, was sie verdienen.“
Ich schlucke betreten und hoffe, dass sie nicht ernst meint, was sie sagt, und es nur von dem Zorn wegen Finn herrührt. Versteht sie denn nicht, dass ich auch ein Teil der Legion bin? Ich war mir selbst in meiner Zeit bei den Rebellen nicht mehr sicher diesbezüglich, aber seitdem ich zurück in der Legion bin, habe ich viel über mich selbst nachgedacht. Ich weiß jetzt, wer ich bin und wo ich hingehöre. Mein Platz wird immer bei der Legion sein, auch wenn mein Name immer Cleo bleiben wird. Vielleicht lässt sich irgendwann beides miteinander verbinden.
Sobald Zoe ihre Nahrungsration erhalten hat, lasse ich sie von einer Wache zurück auf die Krankenstation bringen und stelle mich vor den Aufzug, um erneut auf A350 zu warten. Doch stattdessen gesellt sich Ruby zu mir. Ich freue mich ehrlich darüber, sie gesund zu sehen.
Wie von ihr erwartet, verneigt sie sich vor mir. „Seid mir gegrüßt, Legionsführerin A518.“
„ Seid mir ebenfalls gegrüßt, Kämpferin C403.“
Ruby richtet sich auf. Ihr Gesicht ist eine Maske ohne Emotionen.
„ Ich habe mich heute Morgen gefreut, als ich gehört habe, dass die Flucht geglückt ist“, flüstere ich ihr zu, während wir nebeneinander stehen, ohne einander auch nur anzublicken. Unser beider Blick ist starr auf das Atrium gerichtet.
„ Die Flucht ist nicht so sehr geglückt, wie du es dir vielleicht vorstellst“, gesteht mir Ruby.
„ Was meinst du damit?“
„ Es gab eine Tote.“
Für einen Moment setzt mein Herz aus. „Aber die Legionsführer haben gesagt, dass sie niemanden festnehmen konnten“, bringe ich mit zitternder Stimme hervor und versuche, meine Fassung zu wahren.
„ Sie wurde auch nicht erschossen, sondern ist an den Folgen der Flucht gestorben.“
„ Wer ist es?“
„ Marie. Sie hatte einen Herzinfarkt. Ich war dabei, als sie gestorben ist.“
Ich presse die Tränen zurück, die sich in meine Augen drängen. Marie war die gute Seele bei den Rebellen. Jeder hat sie geliebt. Selbst mir ist sie von Anfang an ohne Vorurteile begegnet. Ich kann mich noch genau an ihre zarten Finger auf meinem Gesicht erinnern, als sie mich abgetastet hat, um sich ein Bild von mir machen zu können. Marie war blind.
„ Wie haben die anderen darauf reagiert?“ Ich weiß, es ist eine dumme Frage. Wie sollen sie schon darauf reagiert haben? Sie werden um sie geweint haben, so wie ich es in diesem Moment am liebsten auch tun würde. Aber ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.
„ Gustav ist halb durchgedreht. Er wollte die Legion sofort angreifen. Die anderen konnten ihn gerade noch davon abhalten.“
Am Beispiel von Marie und Gustav habe ich erst gelernt, was Liebe bedeutet. Sie war immer in ihren Augen zu sehen, wenn sie miteinander sprachen oder auch nur nebeneinander saßen. Sie waren fast eins, wobei Marie immer der ruhige und ausgeglichene Teil war und Gustav der impulsive und unbeherrschte. Ich kann ihn mir ohne Marie nur schwer vorstellen.
„ Was sollen wir jetzt machen?“
„ Es gibt nichts, was wir tun können. Wir müssen abwarten.“
„ Sollen wir es Zoe und Finn erzählen?“
„ Finn erinnert sich weder an dich noch an mich oder sonst irgendjemanden. Es würde ihm nichts bedeuten. Wenn du es Zoe erzählst, wird sie bedauern, dass sie sich nicht von Marie verabschieden konnte. Ich denke, sie hat schon genug Sorgen.“
„ Du meinst also, wir sollten es für uns behalten?“
Ruby zuckt mit den Schultern. „Du bist die Legionsführerin, nicht ich. Es ist deine Entscheidung!“
Sie lässt mich alleine zurück und marschiert in Richtung des blauen Gangs davon. Nachdenklich blicke ich zu der großen Uhr über dem Aufzug. Seit meiner Ankunft sind bereits 45 Minuten vergangen. A350 ist zu spät. Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Ist womöglich etwas passiert?
Auch das Atrium hat sich mittlerweile geleert. Die
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