Radioactive -Die Verstossenen
Regen gibt es in der Sicherheitszone nicht, genauso wenig wie Schnee, Sonnenschein oder Wind.
Trotz des Regens beginne ich zu schwitzen und realisiere , wie ungewöhnlich warm es an diesem Ort ist. Es müssen mehrere Grade über der idealen Temperatur sein.
„Wir werden sterben.“, stößt F701 aus und blickt mir verzweifelt entgegen. Sie will, dass ich ihr widerspreche, doch ich kann nicht. Wenn wir hier an der freien Luft sind, ist das unser sicheres Todesurteil. Die Radioaktivität wird uns töten, innerhalb von spätestens drei Monaten sind wir alle tot.
Nun beginnen auch die anderen , sich unruhig hin und her zu wälzen. Der Tod macht ihnen genauso Angst wie mir. Die Erzieherin von F701 beginnt schwer zu atmen. Sie holt beherrscht Luft und atmet tief ein und aus, doch damit inhaliert sie die giftige Luft nur noch. Als ihr das bewusst wird, wird sie ganz bleich. Ihre Haut bekommt fast einen grünlichen Schimmer, bevor sie sich in der Mitte des Raums übergibt. Sie spuckt Galle, da sonst nichts in ihrem Magen zurückgeblieben ist.
Andere greifen sich an den Hals, als wollten sie sich das Atmen verbieten.
Plötzlich öffnet sich die Tür mit einem lauten Ruck und wir drängen uns dicht aneinander in die hinterste Ecke des Raums.
Ein Mann tritt in die Zelle. Er sieht anders aus als jeder männliche Bewohner der Sicherheitszone. Sein ganzer Körper ist viel breiter und größer. Er trägt schwarze Kleidung, doch keinen Anzug, sondern es scheint vielmehr eine Hose und ein Oberteil für sich zu sein. Sie fällt weit von seinem Körper, anstatt anzuliegen. Nur seine schwarzen Stiefel gleichen den unseren. Er schmeißt einen grauen Lappen auf das Erbrochene von D456 und wischt es mit einem angewiderten Gesichtsausdruck auf. Dabei fällt Licht auf sein Gesicht und ich erstarre. Auf seinem Kopf trägt er eine Art Haube aus dunkelblauem , dickem Material, doch unter der Haube kommt Haar zum Vorschein, wie das Fell von Tieren. Es ist dunkel, fast schwarz, doch es sieht so weich aus, dass ich es am liebsten berühren würde. Seine Augenbrauen haben dieselbe dunkle Farbe und betonen das leuchtende Grün seiner Augen. Sein Mund wird von einem schwachen Kranz aus demselben dunklen Haar eingerahmt. Er trägt einen Bart, wie wir ihn nur aus Dokumentationen von Menschen der alten Erde kennen. Dabei ist er so fremd und schön zugleich. Fast bin ich enttäuscht , als er sich wieder erhebt und der Tür zuwendet. Im Schatten der Tür leuchtet uns ein weiteres Augenpaar entgegen. Mehr kann ich von dem Menschen nicht sehen, doch er macht mir sofort Angst. Auch F701 drückt sich direkt etwas fester an mich.
„Vielleicht haben sie Hunger.“, sagt der Mann mit den schönen grünen Augen.
„Dann haben sie Pech gehabt.“, kommt es von dem anderen kalt zurück. Ich erstarre und erinnere mich an ein Gespräch, von dem ich nicht weiß, ob es real ist oder nur in meiner Fantasie stattgefunden hat:
„Sie ist nicht dabei.“ Das war seine Stimme, da bin ich mir sicher. Die Angst vor ihm drängt sich plötzlich in den Hintergrund und ich recke neugierig meinen Kopf, will mehr von ihm sehen, doch da schließt sich bereits die Tür.
„Verstoßene“, zischt D276 genauso angewidert, wie der fremde Mann zuvor D456s Galle aufgewischt hat.
Ich reiße fassungslos die Augen auf. Das muss es sein. Aber seit wann leben sie hier? Warum halten sie uns gefangen? Wollen sie sich an uns rächen? Sind sie dafür verrückt genug?
„Die Legion wird uns retten.“, stößt D389 aus und nickt, wie um sich selbst zu überzeugen, mit dem Kopf.
„Dafür müssten sie wissen, wo wir sind.“, kontert D276.
„Sie haben Ortungsgeräte. Sie finden uns.“
„Wir sind radioaktiv verseucht.“
„Sie können uns heilen.“
„Wir werden sterben.“
Es ist hoffnungslos. Selbst wenn die Legion uns findet, können sie uns nicht retten. Was werden sie dann mit uns tun?
F701 beginnt erneut zu zittern. Ihr Körper bebt so stark, dass er jedes Mal gegen mich stößt. Auch das Wimmern kehrt zurück und erneut beginnt sie , sich hin und her zu wiegen.
„Hör auf damit.“, zischt ihr D456 warnend zu. „Benimm dich nicht als wärst du verrückt.“
Doch F701 kann nicht aufhören, stattdessen wird ihr Jammern nur lauter. D456 wendet den Blick ab. Auch die anderen sind ratlos und wissen nicht , wie sie F701 ruhig stellen sollen , ohne die nötigen Medikamente.
Aus ihrer Kehle dringen mir fremde Laute entgegen , aber sie schmerzen in meinem Inneren. Es ist
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