Radioactive -Die Verstossenen
betrachtet habe, hat Finn nur mit den Augen gerollt. Ich gehe ihm gewaltig auf die Nerven. Es fängt bereits morgens an, wenn er mich mit unfreundlichen Worten weckt , und geht beim Frühstück weiter , wenn er mit Argusaugen beobachtet , wie viel und was genau ich esse. Er scheint in seinem Kopf alles auf eine Liste zu setzen, um es mir zu einem späteren Zeitpunkt in Rechnung stellen zu können. Aber obwohl er mich so wenig leiden kann, lässt er mich nur selten allein, sondern begleitet mich wie ein schwarzer Schatten überall hin. Damit quält er nicht nur sich selbst, sondern auch mich. Wann immer ich wage zu vergessen, dass dies nicht mein Zuhause ist, erinnert er mich durch seinen bohrenden Blick daran. Er könnte mir nicht deutlicher zeigen, wie wenig willkommen ich bin. Es läge in unser beider Interesse, wenn er mich einfach zurück in die Sicherheitszone bringen würde, doch das wäre das Letzte, was Finn jemals tun würde. Also muss ich mich wohl mit seiner Anwesenheit genauso abfinden wie er mit meiner.
„Hör endlich auf , mit dem Sand zu spielen , und fang an , zu arbeiten!“, fordert er mich in seiner üblichen Aggressivität auf. Anfangs bin ich noch jedes Mal zusammengezuckt und habe Panik bekommen, wenn er mich angeschrien hat, doch mittlerweile habe ich mich an seinen unfreundlichen Tonfall gewöhnt. Trotzdem tue ich lieber , was er sagt , und greife wieder nach der kleinen Schaufel , um schneller zu graben.
Als das Loch tief genug ist, reicht er mir winzige Samen, die ich hineinwerfe. Unglaublich, dass daraus tatsächlich einmal Kartoffeln werden sollen. Danach gehen wir gemeinsam zu einem Brunnen und holen Wasser, um unsere Pflanzen zu bewässern. Vor einigen Jahren haben die Verstoßenen den Brunnen selbst ausgehoben. Es fällt mir schwer , das zu glauben, wenn ich sehe , wie tief der Brunnen ist. Nur ganz unten sieht man das Wasser trüb schimmern. Mit einem Platschen taucht der Eimer in das Wasser ein und ich sehne mich augenblicklich selbst nach einem Bad, während mir Schweiß den Rücken hinab rinnt. So langsam fange ich sogar an , mich an die heiße Quelle zu gewöhnen. Ich mag es , wie die winzigen Bläschen meine Haut streifen und Gefühl , von Wasser umhüllt zu sein. Am angenehmsten ist es , selbst mit dem Kopf unterzutauchen.
Es ist ein Leichtes , den Eimer an der Winde nach oben zu ziehen, doch ihn dann mit den Händen zu tragen, fällt mir schwer. Er ist so schwer und voll, dass beim Laufen immer kleine Mengen hinaus schwappen.
Finn hat damit weniger Probleme. Er trägt den Eimer als wäre es ein Kinderspiel. Ihm bleibt sogar genug Kraft, um mich mit hochgezogenen Augenbrauen zu mustern.
„Pass doch auf, du verschüttest ja das ganze Wasser!“, schnauzt er mich prompt an. Darauf hätte ich wetten können. Er lässt keine Möglichkeit aus , mich zu demütigen.
„Ich gebe mir Mühe!“, fauche ich schnaufend zurück. Die Metallhalter des Eimers schneiden unangenehm in meine Hände, aber ich will Finn nicht den Gefallen tun und den Eimer absetzen oder gar fallen lassen, also beiße ich die Zähne zusammen und schleppe ihn weiter. Doch plötzlich ergreift jemand von hinten das schwere Gewicht. Überrascht drehe ich mich herum und blicke in Pauls freundliche grüne Augen. „Das kann man sich ja nicht mit ansehen, wie du dich abmühst.“, grinst er und trägt mir den Eimer zu Finn, der die Pflanzen bereits bewässert.
„Du bist mir vielleicht ein Gentleman, lässt eine Dame so schwer schleppen.“
„Ich sehe keine Dame.“, kommt es prompt kalt zurück. Mir doch egal.
Paul legt tadelnd den Kopf schief, einen Kommentar verkneift er sich aber. Bevor er geht, bedanke ich mich bei ihm. Ohne ihn und Florance wäre ich Finns Angriffen gnadenlos ausgeliefert. Die anderen sind zwar alle sehr nett zu mir, aber sie greifen nur selten ein, wenn Finn mich wieder schikaniert, wahrscheinlich wollen sie genauso wenig Ärger mit ihm wie ich. Manchmal habe ich auch schon versucht, trotz seiner Gemeinheiten besonders nett zu ihm zu sein, aber das hatte immer zur Folge, dass er sich nur noch mehr über mich geärgert hatte , also bin ich lieber wieder zum Ignorieren übergegangen.
Nachdem die neuen Samen gesät sind, begeben wir uns zu Gustav, der mit Emily und Iris rote Beeren erntet. Sobald sie mich sieht, beginnt Iris zu strahlen und kommt mir entgegen gehüpft. „Cleo, probier mal!“, ruft sie freudig aus und streckt mir ihre Hand entgegen. Sie ist von der Arbeit schmutzig und
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