Rächende Geister
Sakhmet steh mir bei! Verheiratet mit einem Mann, der kein Mann ist… Und du, Sobek, der du immer so prahlst, wo ist dein Mut, deine Entschlossenheit? Ich schwöre bei Re, ich bin mehr Mann als ihr alle zusammen.« Mit einem Ruck drehte sie sich um und entfernte sich. Kait, die hinter ihr gestanden hatte, trat einen Schritt vor. Mit bebender Stimme sagte sie:
»Satipy spricht wahr! Sie ist mehr Mann als ihr alle zusammen. Yahmose, Sobek, Ipy, wollt ihr alle nichts unternehmen? Sollen deine Kinder hungern, Sobek? Nun, wenn du nichts unternimmst, ich werde es!«
Nachdem auch sie gegangen war, fuhr Sobek auf: »Bei den Göttern, Kait hat Recht! Es gibt Männerarbeit zu tun, und wir sitzen hier und schütteln den Kopf.« Er schritt auf die Tür zu. Hori rief ihm nach: »Sobek, Sobek, wohin gehst du? Was willst du tun?« Sobek, schön und feurig, rief von der Tür aus: »Ich werde etwas tun – das steht fest. Und ich werde es mit Wonne tun!«
9
Zweiter Monat des Winters – 10. Tag
R enisenb trat aus dem Hause und schützte die Augen gegen die jähe Helligkeit.
Namenlose Furcht erfüllte sie. Immer wieder sagte sie zu sich: Ich muss Nofret warnen… ich muss Nofret warnen…
Hinter sich hörte sie Männerstimmen, die Stimmen Horis und Yahmoses, die sich mischten, und dann erhob sich darüber Ipys klarer Knabensopran.
»Satipy und Kait haben Recht. Ihr seid keine Männer! Aber ich bin ein Mann, bin im Herzen ein Mann, wenn auch nicht an Jahren. Nofret hat sich über mich lustig gemacht, mich ausgelacht, mich wie ein Kind behandelt. Ich werde ihr beweisen, dass ich kein Kind mehr bin. Ich fürchte mich vor dem Zorn meines Vaters nicht. Ich kenne meinen Vater. Er ist behext – diese Frau hat ihn mit einem Zauber gebannt. Wenn sie vernichtet würde, dann würde sich sein Herz wieder mir zukehren – mir! Ich bin der Sohn, den er am meisten liebt. Ihr alle behandelt mich, als ob ich ein Kind wäre, aber ihr werdet sehen. Ja, ihr werdet sehen!«
Als er aus dem Haus eilte, stieß er mit Renisenb zusammen, die fast umgefallen wäre. Sie ergriff seinen Arm.
»Ipy, Ipy, wohin gehst du?«
»Ich suche Nofret. Sie soll sehen, ob sie mich auslachen kann!«
»Warte ein wenig. Man darf nichts übereilt tun.«
Der Knabe lachte zornig.
»Du bist wie Yahmose. Klugheit! Vorsicht! Nichts übereilt tun! Yahmose ist wie ein altes Weib. Und Sobek prahlt nur mit großen Worten. Lass mich los, Renisenb.« Er machte sich frei. Im gleichen Augenblick trat Henet heraus, und er fuhr auf sie zu: »Wo ist Nofret?«
»Sag es ihm nicht!«, schrie Renisenb, aber Henet antwortete schon: »Sie ist zu den Flachsfeldern gegangen, den hinteren Weg.«
Ipy lief ums Haus herum, und Renisenb bemerkte vorwurfsvoll: »Du hättest es ihm nicht sagen sollen, Henet.«
»Nie habt ihr Vertrauen zu mir«, klagte Henet. »Aber ich weiß genau, was ich tue. Der Junge braucht Zeit, um sich abzukühlen. Er wird Nofret bei den Flachsfeldern nicht finden.«
Sie lächelte schlau. »Nofret ist dort im Pavillon – mit Kameni.«
Renisenb machte sich auf den Weg über den Hof. Da kam Teti, ihren hölzernen Löwen hinter sich her ziehend, auf sie zugelaufen, und Renisenb hob die Kleine hoch. In diesem Augenblick erkannte sie die Kraft, die Satipy und Kait trieb. Die beiden Frauen kämpften für ihre Kinder.
Als Renisenb sich dem Pavillon näherte, drehten Nofret und Kameni, die dort standen, sich um.
Renisenb sprach rasch und atemlos: »Nofret, ich komme, um dich zu warnen. Du musst auf der Hut sein.«
Nofrets Gesicht spiegelte verächtliche Belustigung. »Bellen die Hunde also? Mir kann niemand ein Leid antun. Dein Vater würde es sofort erfahren und Rache üben. Das wird ihnen klar werden, wenn sie erst einmal nachdenken.« Sie lachte. »Wie dumm sie waren mit ihren kleinen Beleidigungen und Belästigungen! Sie haben mir die ganze Zeit den Sieg zugespielt.«
»Du hat das alles also längst geplant?«, versetzte Renisenb langsam. »Und ich hatte Mitleid mit dir – ich fand uns unfreundlich. Ich habe kein Mitleid mehr mit dir, Nofret. Ich glaube, du bist böse.«
»Ich habe dir nichts angetan, Renisenb. Gegen dich habe ich nichts gesagt. Frag Kameni.« Nofret ging über den Hof und die Stufen zum Hause empor. Henet trat heraus, und die beiden Frauen verschwanden miteinander.
Renisenb wandte sich an Kameni: »Du hast ihr also geholfen, Kameni, uns dies anzutun?«
»Was blieb mir anderes übrig?«, entgegnete Kameni.
»Imhotep hat mir ausdrücklich
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