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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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empor. Renisenb, die sich ihr näherte, erschrak über den Ausdruck ihres Gesichts.
    »Was ist geschehen, Satipy?«
    »Was soll geschehen sein? Nichts natürlich.«
    »Wo warst du?«
    »Ich ging zum Grab hinauf – um Yahmose zu suchen. Er war nicht dort. Niemand war dort.«
    Renisenb starrte sie an. Das war eine neue Satipy, die sie gar nicht kannte. Eine Satipy ohne Tatkraft und ohne Leben.
    »Komm, Renisenb, komm ins Haus zurück.«
    Satipy legte ihre leicht bebende Hand auf Renisenbs Arm und versuchte sie zurückzudrängen, aber bei der Berührung lehnte sich etwas in Renisenb auf.
    »Nein, ich will zum Grab.«
    »Aber es ist niemand oben, das sagte ich dir doch.«
    »Ich sitze gern dort und schaue auf den Fluss hinaus.«
    »Aber die Sonne geht schon unter, es ist spät.«
    Renisenb schüttelte die Hand ab.
    »Lass mich, Satipy!«
    »Komm mit mir zurück!«
    Aber Renisenb war schon vorbei und schritt weiter. Es war dort etwas, ihr Instinkt sagte es ihr, und sie lief schneller.
    Dann gewahrte sie es, das dunkle Bündel, das im Schatten des Felsens lag. Sie eilte weiter, bis sie dicht davor stand.
    Da lag Nofret mit zusammengekrümmtem Körper und offenen, blinden Augen…
    Renisenb bückte sich und berührte die kalte Wange. Sie richtete sich wieder auf und blickte auf die Tote hinab. Sie hörte kaum, dass Satipy zu ihr trat.
    »Sie muss gefallen sein«, sagte Satipy. »Sie ist von der Klippe heruntergestürzt. Vielleicht hat eine Schlange sie erschreckt.«
    Renisenb zuckte zusammen, denn unwillkürlich musste sie an Sobek und die Schlange denken. Sie fühlte eine plötzliche Erleichterung, als sie Horis Stimme vernahm: »Was ist geschehen?«
    Hori und Yahmose waren miteinander gekommen. Satipy erklärte ihnen zungenfertig, dass Nofret vom oberen Pfad herabgestürzt sein musste.
    Yahmose meinte: »Sie hat uns wohl gesucht, aber Hori und ich waren mindestens eine Stunde fort, um die Berieselungsanlage zu besichtigen. Als wir zurückkamen, sahen wir euch hier stehen.«
    »Wo ist Sobek?«, fragte Renisenb, und sie kannte ihre eigene Stimme nicht wieder.
    Hori drehte scharf den Kopf nach ihr um. Yahmoses Ton war nur verwundert, als er zurückgab: »Sobek? Ich habe ihn den ganzen Nachmittag nicht mehr gesehen, seit er im Zorn aus dem Haus lief.«
    Renisenb bemerkte, dass Hori die Tote betrachtete, und sie glaubte zu wissen, was er dachte.
    Satipy wiederholte eindringlich:
    »Sie ist vom oberen Pfad herabgestürzt. Der Weg ist schmal und recht gefährlich.«
    Als würde eine Last von ihr genommen, hörte Renisenb Horis ernste Stimme bestätigen:
    »Ja, sie ist gestürzt.«
    Seine Augen begegneten ihrem Blick. Sie dachte: Er weiß es genau wie ich. Wir beide wissen es und werden es immer wissen.
    Unsicher sagte sie:
    »Ja, sie ist gestürzt.«
    Und wie ein endgültiges Echo stimmte Yahmose mit sanftem Ton bei:
    »Sie muss vom oberen Pfad heruntergestürzt sein.«

10
    Vierter Monat des Winters – 6. Tag
     
    I mhotep saß Esa gegenüber.
    »Sie erzählen alle die gleiche Geschichte«, sagte er verdrossen.
    »Das ist wenigstens schicklich«, gab Esa zurück.
    »Schicklich!«, schnaubte er. »Ob sie die Wahrheit sprechen, das muss ich entscheiden. War es ein Unfall?« Er schüttelte den Kopf. »Ich darf nicht vergessen, dass die Ankündigung meiner Absichten leidenschaftliche Gefühle geweckt haben könnte.«
    »Ja, wirklich, das war der Fall. Sie schrien in der Haupthalle, dass ich hier in meinem Zimmer jedes Wort verstehen konnte. War es dir mit diesen Absichten übrigens ernst?«
    Imhotep bewegte sich unbehaglich, während er murmelte: »Ich schrieb im Zorn. Meiner Familie musste eine scharfe Lehre erteilt werden.«
    »Mit andern Worten«, sagte Esa, »du hast nur gedroht. Wie üblich hast du Staub aufgewirbelt und nicht überlegt.«
    Imhotep beherrschte seine aufsteigende Gereiztheit.
    »Das hat jetzt gar keine Bedeutung. Es handelt sich nun um Nofrets Tod. Wenn tatsächlich jemand in meiner Familie so pflichtvergessen und jähzornig sein könnte, mein Weib umzubringen, ich weiß nicht, was ich ihm antun würde!«
    »Dann ist es ja ein Glück, dass alle dieselbe Geschichte erzählen«, erwiderte Esa. »Niemand hat irgendetwas anderes angedeutet, nicht wahr?«
    »Niemand.«
    »Warum betrachtest du den Fall dann nicht als abgeschlossen? Du hättest Nofret mitnehmen sollen. Ich habe es dir damals geraten.«
    »Du glaubst also…«
    Esa unterbrach ihn nachdrücklich: »Ich glaube, was mir gesagt wird, solange ich mit

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