Rächende Geister
ich dachte…«
»Satipy, was ist los mit dir? Willst du es mir nicht sagen? Yahmose sorgt sich um dich…«
Satipy stammelte mit großen, entsetzten Augen: »Yahmose? Was… was hat er gesagt?«
»Er macht sich Sorgen. Du hast im Schlaf aufgeschrien.«
Ihre Augen wurden noch größer, und sie packte Renisenb am Arm.
»Glaubt Yahmose… was hat er zu dir gesagt?«
»Wir glauben beide, dass du krank bist oder… oder unglücklich.«
»Unglücklich?«, wiederholte Satipy. »Ja, vielleicht ist es das.«
»Nein, du hast Angst, nicht wahr?«
Satipy sah sie mit plötzlicher Feindseligkeit an.
»Wovor sollte ich denn Angst haben?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Renisenb. »Aber es stimmt, nicht wahr?«
Mühsam nahm Satipy ihre frühere hochmütige Haltung an. Sie warf den Kopf zurück.
»Ich habe vor niemandem und nichts Angst! Wie kannst du es wagen, so etwas von mir zu denken? Und ich will nicht, dass du mit Yahmose über mich redest. Yahmose und ich verstehen einander.« Sie machte eine Pause und sagte dann scharf: »Nofret ist tot – eine gute Lösung. So empfinde ich es. Und du kannst allen erzählen, dass ich es so empfinde.«
»Nofret?« Renisenb sprach den Namen fragend aus.
Satipy geriet in eine Erregung, die ihr früheres Wesen wieder weckte.
»Nofret – Nofret – Nofret! Ich mag den Namen nicht mehr hören! Wir brauchen ihn in diesem Hause nicht mehr zu hören, den Göttern sei Dank dafür.«
Ihre Stimme, die sich zu einem schrillen Kreischen erhoben hatte, erstarb plötzlich, als Yahmose eintrat.
Er sagte mit ungewöhnlicher Strenge: »Sei still, Satipy. Wenn mein Vater dich hörte, gäbe es neue Unannehmlichkeiten. Wie kannst du dich so töricht benehmen?«
Auch Satipys demütiges Zusammenfallen war ungewöhnlich. Sie murmelte: »Entschuldige, Yahmose… ich habe nicht überlegt.«
»Nun, sei in Zukunft vorsichtig! Ihr Weiber habt keinen Verstand.«
Yahmose ging hinaus; er hielt sich straffer als sonst, und seine Schritte wirkten entschlossener, als hätte es ihm gut getan, einmal seine Überlegenheit zu zeigen.
Renisenb begab sich langsam in Esas Zimmer. Sie hoffte, sich bei ihrer Großmutter Rat holen zu können.
Esa aber, die mit Wohlbehagen Weintrauben verzehrte, wollte die Angelegenheit nicht ernst nehmen: »Satipy? Satipy? Warum dieses Aufheben um Satipy? Liebst du es, von ihr wie eine Sklavin behandelt zu werden, dass du solch ein Wesen davon machst, wenn sie sich ausnahmsweise einmal anständig benimmt?« Sie spuckte die Kerne aus und bemerkte: »Ich fürchte, es wird ohnehin nicht dabei bleiben, falls Yahmose nicht dafür sorgt.«
»Yahmose?«
»Ja, ich hatte gehofft, Yahmose wäre endlich zu Verstand gekommen und hätte Satipy tüchtig durchgeprügelt. Das braucht sie, und wahrscheinlich würde es ihr noch Freude machen. Yahmose mit seiner schlappen Art muss eine Prüfung für sie gewesen sein.«
»Yahmose ist lieb«, entgegnete Renisenb entrüstet. »Er ist freundlich zu allen und sanft wie eine Frau – wie Frauen sein sollten«, fügte sie zögernd hinzu.
»Nein, Frauen sind nicht sanft, und wenn sie es sind, möge Isis ihnen beistehen! Und es gibt wenige Frauen, die einen freundlichen, sanften Gatten zu schätzen wissen. Sie haben lieber einen heftigen Polterer wie Sobek oder einen hübschen, jungen Mann wie Kameni – he, Renisenb? Kameni singt sehr schöne Liebeslieder, nicht wahr, Renisenb?«
Renisenb spürte, dass sie errötete.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, gab sie würdevoll zurück.
»Ihr glaubt alle, die alte Esa wisse nicht, was vor sich geht! Ich weiß recht gut Bescheid.« Sie blickte Renisenb mit ihren halb blinden Augen an. »Ich weiß vielleicht vor dir Bescheid, Kind. Ärgere dich nicht. So ist das Leben, Renisenb. Khay war dir ein guter Gatte, aber er steuert sein Boot jetzt über die Felder der Opfer. Allerdings wissen wir von Kameni nicht viel – er stammt aus dem Norden. Imhotep schätzt ihn, aber ich habe Imhotep immer für einen Dummkopf gehalten. Er lässt sich durch Schmeicheleien allzuleicht beeinflussen. Wegen eines schönen Mädchens sich zum Narren zu machen und tatenlos zuzusehen, wie sie das ganze Haus durcheinander bringt – ich musste lachen, das kannst du mir glauben! In gewisser Weise gefiel sie mir, offen gestanden. Sie hatte den Teufel in sich und ließ alle zu dem werden, was sie wirklich sind. Aber warum hat sie dich eigentlich gehasst, Renisenb?«
»Hat sie mich denn gehasst?«, gab Renisenb erstaunt zurück.
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