Rächende Geister
bin euch allen ergeben und erwarte keinen Dank dafür.«
»Du warst auch Nofret ergeben«, bemerkte Renisenb.
»Wie kommst du darauf, Renisenb? Ich hatte einem Befehl zu gehorchen.«
»Sie dachte, sie könne auf dich zählen.«
Abermals kicherte Henet.
»Nofret war weniger klug, als sie meinte. Eine stolze Frau, die glaubte, die Erde gehöre ihr. Nun, jetzt steht sie den Richtern in der Unterwelt gegenüber, und ihre Schönheit wird ihr dort nicht helfen. Jedenfalls haben wir nichts mehr mit ihr zu schaffen.« Sie berührte schnell eins der Amulette, die sie trug. »Ich hoffe es wenigstens.«
»Renisenb, ich möchte mit dir über Satipy sprechen.«
»Ja, Yahmose?«
Renisenb betrachtete voller Mitgefühl das freundliche, sorgenvolle Gesicht ihres Bruders.
Yahmose sagte bedeutsam: »Mit Satipy stimmt etwas nicht. Ich weiß nicht, was es ist. Beim geringsten Geräusch fährt sie zusammen und fängt an zu zittern. Sie isst zu wenig. Sie schleicht herum, als hätte sie Angst vor ihrem eigenen Schatten. Ist dir diese Veränderung nicht auch aufgefallen, Renisenb?«
»Ja, sie ist uns allen aufgefallen.«
»Ich habe sie gefragt, ob sie krank ist, ob ich einen Arzt kommen lassen soll, aber sie sagt, sie sei vollkommen gesund. Nachts schläft sie jedoch nicht gut, sie schreit im Schlaf auf. Ob sie wohl irgendwelche Sorgen hat, von denen wir nichts wissen?«
Renisenb schüttelte den Kopf.
»Wie wäre das möglich? Den Kindern fehlt nichts. Nichts ist geschehen – nur Nofret ist gestorben, und um Nofret wird Satipy wohl kaum trauern.«
Yahmose lächelte schwach.
»Ganz im Gegenteil. Außerdem hat die Veränderung schon früher angefangen, vor Nofrets Tod, nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht genau. Mir ist sie erst nachher aufgefallen. Krank ist Satipy nicht. Mir scheint, dass sie sich fürchtet.«
»Sich fürchtet?«, wiederholte Yahmose mit großer Verwunderung. »Aber wovor denn? Satipy hat stets den Mut einer Löwin gehabt.«
»Ich weiß«, sagte Renisenb hilflos. »Das dachten wir immer, aber die Menschen ändern sich – es ist sonderbar.«
»Meinst du, dass Kait etwas weiß? Hat Satipy mit ihr gesprochen?«
»Sie würde wohl eher mit ihr als mit mir sprechen, aber ich glaube es nicht.«
»Was denkt Kait denn?«
»Kait? Kait denkt nie etwas.«
Kait hatte nichts weiter getan, überlegte Renisenb, sondern nur aus Satipys ungewöhnlicher Schwäche Vorteil gezogen und für sich und ihre Kinder die schönsten Stücke des. neu gewobenen Linnens errafft, was Satipy früher niemals zugelassen hätte.
»Hast du schon mit Esa gesprochen?«, fragte Renisenb. »Unsere Großmutter versteht sich auf Frauen.«
»Esa sagte nur, ich solle froh sein über die Veränderung«, gab Yahmose leicht verärgert zurück.
Nach kurzem Zögern erkundigte sich Renisenb: »Und Henet?«
»Henet?« Yahmose runzelte die Stirn. »Nein, mit Henet würde ich über solche Dinge nicht sprechen. Die denkt nur an sich. Mein Vater hat sie verwöhnt.«
»Ja, schon. Aber Henet weiß immer sehr viel.«
Yahmose sagte langsam: »Würdest du sie fragen? Und mir dann mitteilen, was sie meint?«
»Gern, wenn du willst.«
Renisenb schob die Unterredung mit Henet auf, bis sie mit ihr allein war. Sie befanden sich auf dem Weg zum Webhaus. Zu ihrer Überraschung schien die Frage Henet in Verlegenheit zu bringen. Sie zeigte sich nicht wie sonst zungenfertig. Sie berührte ein Amulett, das sie trug, und spähte über die Schulter zurück.
»Das geht mich nichts an«, antwortete sie schließlich. »Wenn es Unannehmlichkeiten gibt, so möchte ich nichts damit zu schaffen haben.«
»Wieso Unannehmlichkeiten?«
Henet warf Renisenb einen Seitenblick zu.
»Uns braucht das jedenfalls nicht zu kümmern. Wir beide haben uns nichts vorzuwerfen. Das ist mir ein großer Trost.«
»Meinst du, dass Satipy…«
»Ich meine gar nichts, Renisenb. Ich bin wenig mehr als eine Dienerin in diesem Hause, und es ziemt mir nicht, meine Meinung über Dinge kundzutun, die mich nichts angehen. Wenn du mich fragst: Es ist eine Veränderung zum Guten, und dabei sollten wir es belassen. Jetzt muss ich aber gehen und Acht geben, dass das Datum im Linnen richtig eingezeichnet wird. So unachtsam sind diese Weiber…«
Irgendwie unbefriedigt sah Renisenb sie im Webhaus verschwinden. Langsam kehrte sie ins Haus zurück. Geräuschlos trat sie in Satipys Zimmer, und Satipy fuhr erschrocken herum, als Renisenb sie an der Schulter berührte.
»Oh, du hast mich erschreckt,
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