Raecher des Herzens
er auf diese Art erfährt, dass du ihm nicht zutraust, seine Belange selbst zu regeln.«
Was die Leute über sie redeten, interessierte Celina nur am Rande. Dass sich ihre Tante Vorhaltungen machen würde, konnte sie sich zwar gut vorstellen. Aber man würde der alten Dame wohl kaum die Schuld für Celinas Eigenmächtigkeit geben. Was Denys betraf, so hatte Suzette Recht. Wenn sie zu dem Duell erschien, würde sie ihn vor seinen Freunden unmöglich machen. Und an das, was passieren konnte, wenn ihn ihre Gegenwart in einem kritischen Moment ablenkte, wollte sie lieber gar nicht erst denken.
»Ich wünschte, ich wäre ein Mann!«, sagte Celina voller Inbrunst. »Dann könnte ich durch die Straßen laufen, wie es mir beliebt, und dürfte mir auch dieses Duell ansehen.«
»Aber du bist kein Mann, und deshalb bist du zum Warten verdammt.«
»Ja.« Celina schloss die Augen wieder. »Und ich werde beten, dass Monsieur de Silva Wort hält.«
Suzette schüttelte seufzend den Kopf. »Ich fürchte, genau das wird er tun«, sagte sie grimmig.
Drittes Kapitel
Kurz vor fünf Uhr klopfte Olivier leise an Rios Tür.
Rio war bereits wach. Er stand am offenen Fenster und sah zu, wie sich der Himmel über der weiten Biegung des Mississippi rosarot färbte. Rio hatte seine Kleidung mit Bedacht gewählt. Die Hosen aus dehnbarer Wolle machten jede Bewegung mit. Dazu trug er ein frisches Leinenhemd mit Manschettenknöpfen aus Onyx, eine weiße Seidenkrawatte, deren loser Knoten sich mit einem einzigen kurzen Ruck öffnen ließ, eine Weste mit grauen Streifen und einen schwarzen Gehrock. Obwohl er die derzeitige Mode, sich Unmengen von Pomade ins Haar zu schmieren, abscheulich fand, hatte er doch ein wenig davon benutzt, damit ihm die morgendliche Brise keine Strähnen in die Augen wehte. Sein Hut lag neben dem Futteral, in dem der Degen ruhte, den er bei solchen Anlässen zu benutzen pflegte. Zwei weitere Waffen in verschiedenen Größen hatte er zudem für alle Fälle eingepackt.
»Ala vous cafe, Monsieur Rio.«
Rio nahm die Tasse von dem Tablett, das Olivier ihm hinhielt, und trank einen Schluck, bevor er einen Dank murmelte.
»Ein schöner Morgen für ein Duell.«
Rio zuckte die Achseln. Das Wetter war tatsächlich recht gut, nur ein Hauch von Nebel hing in der Luft.
»Sie hätten mit der Krawatte warten sollen«, sagte Olivier mit einem Blick auf die drei zerknüllten Seidenbänder, die auf dem Bett lagen. »Ich hätte Ihnen helfen können.«
»Ich bin früh aufgewacht.«
Olivier nickte, als habe er sich das gedacht.
»Ich sah keinen Grund, uns beide um den Schlaf zu bringen.«
»Machen Sie sich Sorgen?«
Rio warf Olivier einen finsteren Blick zu. »Dieses Treffen dürfte im Grunde gar nicht stattfinden.«
»Es wird nicht lange dauern.«
»Richtig.« Der Fechtmeister leerte die kleine Tasse mit dem heißen, starken Gebräu und stellte sie auf das Tablett zurück.
»Gestern Abend, der Besuch von Mademoiselle Vallier ...«
»Bitte!«, sagte Rio in scharfem Ton.
Olivier schlug die Augen nieder und verstummte.
Rio hasste diese untertänige Attitüde. Er nahm an, Olivier wollte ihm damit ein schlechtes Gewissen machen und ihn somit zu einer Erklärung nötigen, die er eigentlich nicht zu geben gedachte. »Vor einem Duell an Frauen zu denken ist genauso unangebracht, wie die Nacht zuvor mit irgendeiner Kokotte zu verbringen.«
»Ganz recht«, murmelte Olivier.
»Nicht dass Mademoiselle Valliers Einmischung von Bedeutung wäre. Aber ich möchte lieber nicht an ihren Besuch erinnert werden.«
»Sie hatten bestimmt nie vor, ihren Bruder zu töten.«
»Ich bin kein Mörder«, bestätigte Rio knapp.
»Nein. Aber ich frage mich, warum Sie das der Dame nicht einfach gesagt haben. Damit wäre die Sache nämlich erledigt gewesen.«
»Ich will, dass sie glaubt, in meiner Schuld zu stehen.«
»Als wenn das von Bedeutung wäre.«
»Sie hält mich für einen Ehrenmann«, sagte Rio trocken.
»Und? Hat sie Recht?«
Ein Klopfen an der Eingangstür im Erdgeschoss ersparte Rio eine Antwort. Das mussten Caid Roe O’Neill und Gilbert Rosiere sein, selbst Fechtmeister und Rios Freunde, die heute als seine Sekundanten fungieren sollten. Sie kamen pünktlich. Rio nahm es als gutes Omen.
Caid, der Ire, war sein erster Sekundant. Er lebte erst seit kurzem in der Stadt und hatte die Kutsche gemietet. Der Wagen wartete in der Rue Saint-Pierre auf die Männer. Gilbert nahm den Koffer mit den Waffen an sich. Gemeinsam gingen die drei
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