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Raecher des Herzens

Titel: Raecher des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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donnerte um die Kurve, an den Strängen ein schäumendes Pferd. Hinter den Rädern stieg eine gewaltige Staubwolke in den Morgenhimmel. Der Kutscher brachte den Wagen zum Stehen, Vallier und seine Leute sprangen heraus, und die beiden Gruppen begrüßten einander. Dann trat Denys Vallier vor. »Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten, Messieurs. Die Mietdroschke kam zu spät.«
    Sich dem Charme dieses höflichen und offenen jungen Mannes zu entziehen war auch für Rio ein Ding der Unmöglichkeit. Denys sah seiner Schwester sehr ähnlich, wobei ihre Züge fein und aristokratisch wirkten, seine hingegen langsam zugunsten eines männlicheren Aussehens ihre Jungenhaftigkeit verloren. Nach dem Vorbild der Romantiker trug Denys Vallier einen kurzen Bart und lange Koteletten. Rio spürte, wie sich in ihm etwas zusammenzog. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit für die Entscheidung, mit der er sich schon die ganze Nacht über herumgequält hatte.
    »Kein Problem«, sagte er knapp. »Wir waren eher zu früh hier.«
    Denys Vallier deutete eine Verbeugung an, dann entfernten sich die beiden Gruppen etwa zwanzig Schritte voneinander. Dr. Kiefer und der Wundarzt Dr. Buchanan, den Vallier für sich engagiert hatte, breiteten auf sauberen weißen Leinentüchern ihre Instrumente aus. Die beiden ersten Sekundanten begaben sich zur Mitte der Kampfbahn. Beide Parteien verzichteten auf eine Inspektion der Waffen. Man würde Degen benutzen, die den üblichen Abmessungen entsprachen. Die Bahn sollte fünfzehn Schritte lang sein. Die Grenzen wurden mit Kalk markiert. Dann ließ man einen mexikanischen Silberdollar darüber entscheiden, welcher der Kontrahenten die Sonne oder den Wind gegen sich haben sollte und wer die Signale geben würde. Caid gewann. Damit waren die Vorbereitungen abgeschlossen.
    Rio hatte inzwischen Gehrock und Weste abgelegt und sich die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen aufgerollt. Währenddessen rumpelten weitere Kutschen heran. Darin saßen die unvermeidlichen Zuschauer, die sich bei jedem Duell einstellten. Sie würden den Kampf kommentieren und natürlich Wetten abschließen. Rio ließ sich von der Ankunft der Schaulustigen nicht ablenken.
    Viele Maitres d’Armes schätzten es, wenn sie bei ihren Duellen Publikum hatten. Sie betrachteten die Treffen im Morgengrauen als willkommene Gelegenheit, ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen zu können und neue Kunden zu werben. Rio hatte für diese Art der Selbstdarstellung nur wenig übrig. Ihn erinnerten die Fechtübungen unter den Zwillingsschwestern eher an die Kämpfe im Kolosseum im alten Rom, wo sich das sensationslüsterne Volk ebenfalls an blutigen Schauspielen ergötzt hatte.
    Caid trat an Rios Waffenkoffer, der offen im Gras lag, und untersuchte die Klingen. Mit einem anerkennenden Grunzen drückte er seine Zufriedenheit aus und blickte zu Rio auf. »Deine Wahl?«
    Rio zeigte auf eine einfache, solide Waffe und ließ sie sich von Caid reichen. Dann kreiste er mit den Schultern, um die Muskeln zu lockern, und wartete.
    Inzwischen fielen bereits die ersten Sonnenstrahlen durch die Baumkronen, ließen die Blätter und die langen Moosgehänge an den Ästen wie Gold und Silber schimmern. In den Zweigen flüsterte die Morgenbrise. Sie war schwer vom Staub und vom Geruch des zertretenen Grases. Ein Stück entfernt keckerte ein Eichhörnchen, und ein Kardinalvogel schwang sich durch das Geäst der Eichen. Die Farbe seines Gefieders erinnerte an frisches Blut. Irgendwo krächzte eine Krähe.
    Dann legte sich Stille über den Kampfplatz.
    Rio und seine beiden Sekundanten gingen zur Mitte der Bahn, Vallier und dessen Freunde gesellten sich zu ihnen. Die Kontrahenten entboten einander den formalen Salut, dann traten die Sekundanten beiseite.
    Caid und Rio sahen einander an, stummes Einvernehmen im Blick. Dann nickte Rio kurz.
    »En garde!«, rief Caid.
    Rios Klinge kreuzte die seines Kontrahenten. Der
    Klang glich dem einer hellen Glocke. Während sie die Kampfhaltung einnahmen, gestattete sich Rio einen Blick auf sein Gegenüber. Denys Valliers Gesicht war gerötet. Seine Augen glühten vor Eifer, aber Feindseligkeit suchte Rio dort vergebens. Denys Vallier hatte eine gute Haltung, nur sein Arm zitterte ein wenig.
    »Beginnt!«
    Bei Caids Kommando spürte Rio, dass sich die Konzentration und geistige Wachheit, die für einen guten Fechter unabdingbar waren, wie ein Mantel um seine Schultern legten. Seine Augen fixierten die Spitze des Degens, während der Griff und die Klinge

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