Rätsel um die alte Villa
Schaden, den die beiden
Einbrecher angerichtet hatten, war tatsächlich beseitigt. Auch das Telefon war
inzwischen installiert — nur mit den Lampen hatte es noch nicht geklappt. Damit
mußte man sich bis zum Montag gedulden.
Die Transportarbeiter hatten
schon zweimal Pause gemacht und sich mit dem Imbiß gestärkt, den Frau Vierstein
für sie bereithielt: Schinkenbrote und Bier.
Die anderen, die nicht bezahlt
wurden für ihre Arbeit, bewegten sich erheblich flinker und machten erst jetzt
— gegen 12 Uhr mittags — die erste Pause.
Frau Vierstein lud ein zum
Picknick im Garten — auf einem Stück Rasen vor dem Haus. Hier hatte das Unkraut
eine Insel gelassen. Leere Kisten dienten als Sitze. Auf einem Gartentisch
standen Cola-Flaschen, Pappbecher und ein Tablett mit belegten Broten. Sogar an
Klößchens Leidenschaft hatte Frau Vierstein gedacht. Zwei Tafeln Schokolade
lagen bereit.
Karls Augen strahlten hinter
der Nickelbrille, während er in eine Wurstsemmel biß. Er sagte nichts. Aber
Tarzan spürte, was er dachte: Phantastisch, wenn man so gute Freunde hat!
Der Professor, der körperliche
Arbeit nicht gewohnt war, hatte ein gerötetes Gesicht und geriet ziemlich
schnell außer Atem, verlor aber nie seine gute Laune.
„Das hier“, sagte er und griff
nach einem flachen Holzkasten, „haben mir voriges Jahr meine Studenten
geschenkt.“
Er klappte den Kasten auf.
Staunend betrachtete Tarzan
zwei schwere, mindestens 200 Jahre alte Pistolen. Sie sahen völlig gleich aus.
„Duell-Pistolen“, erklärte der
Professor. „Es sind Nachbildungen alter Vorderladerwaffen. Aber ein bißchen
modernisiert. Man kann damit schießen. Versucht habe ich das allerdings noch
nicht.“
Tarzan, der sich auskannte,
durfte eine der Pistolen herausnehmen. Sie war lang wie ein Unterarm. Der mit
schwarzem Samt ausgeschlagene Pistolenkasten enthielt alles, was man zum Laden
brauchte: Pulver, Pfropfen, fertiggegossene Bleikugeln, Zündhütchen.
„Wenn Karl seine Einzugs-Party
gibt“, sagte Herr Vierstein, „dürft ihr im Keller damit schießen. Allerdings
werde ich dabei sein. Ganz ungefährlich ist das nämlich nicht.“
„Braucht man für die Pistolen
einen Waffenschein?“ wollte Klößchen wissen.
„Dafür sonderbarerweise nicht,
obwohl es tödliche Waffen sind.“
„Aber ihr werdet sie nicht mit
den Bleikugeln laden“, schaltete sich Frau Vierstein besorgt ein.
Ihr Mann lächelte ihr
beruhigend zu. „Ich passe schon auf.“
Elisabeth Vierstein war eine
zartgliederige Frau, die die gleiche Kleidergröße tragen konnte wie Gaby. Aber
im Gegensatz zu ihr hatte Frau Vierstein braune Naturlocken und haselnußfarbene
Augen. Sie lachte gern, aber ein stilles Lächeln paßte besser zu ihrem sanften
Wesen. Über Ungezogenheiten konnte sie sich sehr grämen. Wütend wurde sie
eigentlich nie. Karl hing sehr an ihr; und Herr Vierstein, der nun schon über
20 Jahre mit ihr verheiratet war, hat nie eine andere Frau angeschaut.
„...besonders die Verzierungen
an Lauf und Kolben zeigen meisterliche Kunstfertigkeit“, erklärte Karl in
diesem Moment mit großer Geste und meinte die Pistolen.
Aha! dachte Tarzan. Er hat
wiedermal ein Thema, um sein Wissen anzubringen.
So war es denn auch. Schon
redete Karl von Prunk- und Paradewaffen, wobei er allerdings seine Eltern als
Zuhörer entbehren mußte. Sie waren ins Haus gegangen — Herr Vierstein wollte
den Möbelpackern zeigen, wohin der Konzertflügel zu stellen sei — ein altes
Erbstück; Frau Vierstein wollte neue Brote schmieren, denn Klößchen hatte so
gewaltig zugelangt, daß der Vorrat nicht ausreichte.
„…waren die Waffen“, fuhr Karl
fort, „wie jedes andere Zeugnis menschlicher Kultur, in ihrer Fertigung eng
verbunden mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der
Menschen. In der Zeit der Urgemeinschaft diente sie hauptsächlich als
nützliches Gerät und zur Sicherung der Ernährung. Aber später — in der
Folgezeit neuer gesellschaftlicher Ordnungen — als sich Freie und Abhängige,
Herrschende und Beherrschte gegenüberstanden, da wurde die Waffe ein wichtiges
Werkzeug für die Mächtigen und diente zur Festigung der Macht und um die
Machtbereiche auszudehnen. Die Waffe wurde schlechthin das Symbol der Macht.
Und die schön gearbeitete Waffe wurde Erkennungsmerkmal für Würde und Rang.“
„Da ist es ja mit mir nicht
weit her“, ließ sich Klößchen mit vollem Mund vernehmen. „Ich habe nur ein
altes Taschenmesser.“
„Ich
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