Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Anne schauten sich ratlos an.
»Was wollen die nur?«, fragte Anne. Die Ungeduld in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Das haben’s uns doch wirklich deutlich vorgesungen!«, meinte Nonnenmacher wütend. »… ›unsere Gegner, die machen wir kalt‹.«
»Aber die wirken auf mich … also die wirken auf mich wirklich überhaupt nicht gefährlich«, wandte Kastner ein. »Die lächeln doch die ganze Zeit. Die kommen mir eher vor wie Spaßvögel.«
Anne nickte: »Spaßguerilla.«
»Die – haben – auf – mich – geschossen!«, sagte Nonnenmacher, wobei er jedes Wort einzeln betonte. »Die wollten mich umbringen. Das sind Mörder!«
»So schauen die aber gar nicht …«, erwiderte Kastner, wurde dann aber vom Klingeln von Nonnenmachers Handy unterbrochen.
»Nonnenmacher?«, blaffte der Dienststellenleiter ins Telefon. Dann ging jedoch ein Ruck durch seinen Körper, und seine Stimme war plötzlich von derart öliger Geschmeidigkeit, dass man meinen hätte können, er habe mit Süßwasseraal gegurgelt.
»Jajajaja.« Anne wusste gar nicht, dass Nonnenmacher so zart und leise hauchen konnte. »Jawohl, ja, natürlich, ja.« Er schwieg kurz, nickte, und Anne glaubte sogar die Andeutung einer Verbeugung zu erkennen. Dann blickte der Inspektionschef der fünf Seegemeinden mit weit aufgerissenen Augen in Annes Richtung, ohne sie jedoch wirklich anzusehen. »Gutgutgutgut«, machte er dann, was Anne an ein Huhn denken ließ. Wieder nickte er. »Ja, sehr gerne, ja, wir … ja … auf Wiederhören.«
»Ja, sag einmal, Kurt«, fragte Sepp Kastner jetzt in einem Tonfall, der zwischen Neugier und Häme lag. »Mit wem hast du denn jetzt so …«, Kastner suchte nach dem richtigen Wort, »… so schleimig geredet?«
Der strafende Blick des Inspektionschefs, der den blonden Polizisten nun traf, verfügte über die mentale Durchschlagskraft eines Schusses aus einer halb automatischen P2000 Heckler & Koch, Kaliber neun mal neunzehn mit Rückstoßlader und gepuffertem Browning-Verschluss, der klassischen Polizeipistole also. Nonnenmacher sagte: »Mit dem Innenminister.«
»Was?«, platzte Kastner hervor. »Das glaub ich nicht!«
»Ist aber so«, erwiderte Nonnenmacher, und Anne versuchte, von seinem Gesicht abzulesen, ob er nun stolz war oder unter Schock stand, denn sein gestrüppartiger Bart, der große Teile seines Gesichts verdeckte, erschwerte eine Deutung seiner Gefühle.
»Und, und, was wollte er? – Also von dir?«, fragte Kastner aufgeregt.
»Der Herr Innenminister wollte mir sagen, dass er kommt.«
»Das glaub ich nicht!«, rief Kastner, nein, er sang es fast: »Das glaub ich nicht, das glaub ich nicht.«
»Jetzt fehlt nur noch, dass du hier über den Parkplatz hopst«, meinte Anne trocken. Zu Nonnenmacher gewandt fragte sie lässig: »Und wann?«
»Morgen früh.«
»Okay, dann wäre es sinnvoll, bis dahin wenigstens die Identität der Geiselnehmer zu kennen.« Anne sah ihren Vorgesetzten ernst an.
Er wich ihrem Blick aus, sagte aber nach einer kurzen Pause, in der er sehnsuchtsvoll zum Wallberg hinüberblickte: »Sepp, dann haust du jetzt einmal die Interpol-Fahndung raus. Ich ruf den Bürgermeister und den Dings vom Tourismusbüro an. Dass die wissen, was da für eine Lawine auf sie zurollt.«
Ihre restliche Dienstzeit verbrachte Anne an diesem Tag damit, gemeinsam mit Sepp Kastner die Warenpakete zu kontrollieren, die noch geliefert wurden.
Sie war froh, um vier Uhr nach Hause gehen zu können, war sie doch am Morgen schon so früh wach gewesen.
Als Anne die Tür aufsperrte, freute sie sich darauf, gleich nachher in den See zu springen. Denn auch dieser spätsommerliche Dienstagnachmittag war knallheiß gewesen.
Allerdings wurde aus dem erfrischenden Bad erst einmal nichts. Bereits im Flur hörte Anne lautes Schluchzen aus einem der oberen Zimmer. Ihre Tochter Lisa war also bereits daheim. Aber was war mit ihr? Anne eilte die Treppe hinauf.
Lisa lag in ihrem Bett und hatte den Kopf tief ins Kissen vergraben. Sie war barfuß, ihre Beine hingen über den Bettrand hinaus.
»Was ist denn los mit dir, Fee?«, fragte Anne zärtlich.
»Nix«, heulte Lisa ins Kissen. Anne setzte sich neben sie und versuchte, sie hochzuziehen. Doch Lisa versteifte ihren Körper und drückte sich noch fester ins Kissen. Plötzlich befiel Anne eine furchtbare Angst. Sie selbst war als Mädchen missbraucht worden, seither war die schreckliche Erinnerung ihr ständiger Begleiter. Was war mit Lisa? Vorsichtig strich sie
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