Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Fünf-Euro-Schein heraus und hielt ihn dem Lieferanten hin. »Sie nehmen jetzt das Geld und holen sich und mir drüben im Dorfladen etwas zu essen. Und ich passe währenddessen auf das Paket auf. Gut? Ich bin von der Polizei. Ich kann da gut drauf aufpassen. Und während Sie weg sind, schaue ich heimlich in das Paket. Okay? Und Sie merken nichts davon. Und wenn Sie zurückkommen, dann ist das Paket schon wieder zugeklebt.«
Der Mann nahm mit fragendem Blick das Geld. »Frau Polizei Leberkässemmel?«
»Meinetwegen. Hauptsache, Sie machen sich jetzt endlich vom Acker.«
»Acker?«, fragte der Mann.
Überdeutlich antwortete Anne: »Gehen Sie jetzt! Essen sollen Sie holen, da drüben, im Dorfladen. Verstehen Sie? Essen?«
»Klar, Essen. Essen gut.«
»Ja, Essen ist gut.«
Obwohl der Tag erst angebrochen war, fühlte Anne sich bereits völlig erschöpft. Aber tatsächlich setzte sich der Mann in Bewegung. Während er mit dem Geldschein in der Hand über die Straße eilte, schlitzte Anne schnell das Paket auf. Und dessen Inhalt überraschte sie gehörig. Da hatte jemand bei einem wirklich coolen Bekleidungsversand Klamotten bestellt! Anne entdeckte zwei sehr schöne Bikinis, ein kurzes Sommerkleid und zwei Paar hochhackige Schuhe. Die Sachen waren so geschmackvoll, dass sie auch Anne angezogen hätte. Und die Ermittlerin war der Ansicht, dass sie beileibe keinen Durchschnittsgeschmack hatte. Was waren das für Bankräuber, die sich so coole Klamotten bestellten? Oder hatte das Paket jemand anders geordert? Vielleicht Frau Dr. Klamm, ehe die ganze Geschichte hier ihren Lauf genommen hatte? Anne blickte auf das Bankgebäude, das jetzt vollständig in der Sonne lag. Dann klappte sie den Deckel des Pakets wieder zu und las die Anschrift. Die Lieferung war adressiert an die Bankfiliale, »c/o Geschäftsführung Robert Ochsenknecht«. Die Polizistin öffnete erneut das Paket und zog die Rechnung hervor. Hier stand als Bestelldatum der Vortag. Zweifellos war diese Bestellung von den Bankräubern aufgegeben worden, denn dass sich Robert Ochsenknecht als Geisel etwas bestellt hatte, das hielt Anne doch für abwegig. Aber wieso machten die Bankräuber das? Und wie passte das mit den sozialen Forderungen zusammen, die sie im Internet gepostet hatten?
Als Anne sah, dass ihr neuer Freund, der Lieferwagenfahrer, mit einer Tüte in der Hand zurückkam, verschloss sie schnell die Kiste und klebte sie notdürftig wieder zu. Der Lieferant überreichte ihr die von ihm besorgte Brotzeit und griff sich die Kiste.
»Halt, halt«, versuchte Anne, ihn zu bremsen. »Sie sollen das hier doch essen!«
»Arbeit eins«, erwiderte der Mann selbstgewiss, »Paus’ zwei. Deutsch System. Ich deutsch. Hier Pass …« Schon wieder machte er Anstalten, seinen Ausweis hervorzuholen.
»Ist ja gut.« Sie reichte ihm den Karton. »Stellen Sie ihn am Hintereingang ab«, rief Anne ihm noch hinterher, als er davoneilte. »Vorne macht niemand auf.«
Er läutete Sturm, doch keiner öffnete. Anne bedeutete ihm, das Paket einfach vor der Tür abzustellen, was er dann nach einigem Zögern auch tat. Daraufhin kam er zu Anne zurück und hielt ihr das Unterschriften-Pad hin: »Sie unterschreiben. Unterschrift muss, System deutsch«, sagte der Mann. »Frau Polizei auch Chef, Unterschrift gut.«
Anne unterschrieb und drückte ihm eine der Leberkässemmeln, die er geholt hatte, in die Hand. Er reichte ihr das Wechselgeld und sprang in die Fahrerkabine. »Nix Zeit. Weiter, weiter, weiter. Sonst Kündigung, peng.« Er hielt sich die rechte Hand, die Finger geformt wie eine Pistole, an den Kopf, knallte die Fahrertür zu und fuhr schwungvoll vom Parkplatz. Anne blickte ihm nachdenklich hinterher.
Im weiteren Verlauf des Vormittags kamen noch weitere Lieferanten, die ihre Pakete ebenfalls vor der Hintertür der Bank an dem See inmitten von Bergen deponierten. Darin waren, wie Anne nach der Prüfung der Sendungen herausfand, Schminkutensilien, fünf Paar modische Turnschuhe – drei für Herren, zwei für Damen –, zwei Herrenanzüge, Designerunterwäsche für Damen und Herren, Bodylotions und Rasierzeug, eine hochwertige Videokamera mit Stativ, ein Akkordeon, ein Laptop und etliche Waren mehr. Anne hatte den Eindruck, dass hier jemand mit Verstand und Sinn für Qualität bestellte. Zum Teil waren die Gegenstände luxuriös, doch teilweise handelte es sich auch um Erzeugnisse, die sich neben ihrem außergewöhnlichen Stil dadurch auszeichneten, dass sie laut Siegel
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