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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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lief, schliefen die Entführer und ihre Geiseln da gerade. Doch nicht nur deshalb hatte man den Termin vor Morgengrauen gewählt: Man hoffte auf diese Weise auch, den Einsatz der Eliteeinheit vor der einheimischen Bevölkerung und den im Tal weilenden Touristen verheimlichen zu können.
    Was leider nicht gelang. Denn der Zufall wollte es, dass ausgerechnet in dem Moment, in dem der Hubschrauber mit den Einzelkämpfern auf der Wiese beim Grundnerhof in der Westgemeinde des Sees landete, der Bauer Vitus Kofler mit seinem Traktor vorbeikam. Natürlich gedachte er um diese Uhrzeit nicht, Heu zu machen. Nein, Vitus Kofler befand sich auf dem Heimweg von einem besonders ausufernden Treffen der Gebirgsschützen. Und weil es aus Höflichkeits- und Traditionsgründen schier unmöglich war, solch ein gemütliches Beisammensein mit anderen Kämpen der Alpensoldatenzunft ohne einen gewissen Promillegehalt im Blut zu verlassen, hatte Vitus Kofler den Traktor als fahrbaren Untersatz gewählt. Wer in Bayern mit einem Traktor fährt, das weiß jeder Schulbub, wird nicht auf Alkohol kontrolliert, sondern nur auf Heizöl im Tank.
    Als der Kofler Vitus auf seiner Fahrt nach Hause beinahe zum zweiten Mal eingeschlafen wäre, schreckte er plötzlich hoch: Träumte oder wachte er? Nur für einen Moment hielt er das Fluggefährt, dessen er ansichtig wurde, für ein Raumschiff Außerirdischer (Außerirdische konnten gerne im Tal Urlaub machen, aber dann sollten sie bittschön mit dem Auto oder dem Zug anreisen). Aber nein: Das war ein Hubschrauber, der da landete. Gleich erkannte Vitus Koflers aus zahllosen Fernsehbeiträgen geschulter Blick, dass es sich um die berühmte Sondereinheit aus Sankt Augustin nahe Köln handelte. Diese ganze Angelegenheit hätte den Bauern nicht weiter beschäftigt, vermutlich hätte er dieses Erlebnis sogar schlichtweg vergessen – als Einwohner des von den Reichen und Schönen seit Jahrzehnten als Rückzugsort geschätzten Bergtals sah man sich allenthalben mit bunten Hunden und komischen Vögeln konfrontiert. Da konnte die GSG9 den Kofler Vitus nun auch nicht vom Hocker hauen. Zudem war der Bauer – wie die meisten Oberbayern – kein geschwätziger Mensch, sondern eher wortkarg. Die Sache hätte also geheim bleiben können. Doch da gab es auch noch dem Kofler Vitus seine Frau. Die stolze Großbäuerin war eine Ratschkattel allererster Güte. Als sie den wackeren Gebirgsschützen bei seiner Ankunft auf dem Hof mit dem Metallrührstab (Nudelhölzer waren ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts, auch bei den Koflers ging man mit der Zeit) in der Hand zur Rede stellte, warum er erst so spät und dermaßen »zua«, also betrunken, nach Hause komme, regte sich bei Vitus Kofler der Überlebensinstinkt. Denn diesen trug er wie viele andere Alpenbewohner wegen des rauen Klimas, der steilen Berghänge, der wilden Stiere, der selbstbewussten Frauen in den Genen. Und deshalb lenkte er das Interesse seiner liebevollen Gattin weg von seinem für einen Chinesen lebensgefährlichen Alkoholpegel im Blut hin zu seiner Entdeckung beim Grundnerhof.
    Wenige Stunden später sollte das ganze Tal Bescheid wissen. Denn dass die GSG9 am See war, fand die Koflerin derart faszinierend, dass sie von ihrem Gatten abließ, den elektronischen Edelrührstab verräumte und sich schon auf den Morgen freute. Diese Geschichte würde jeder hören wollen, dessen war sie sich hundertprozentig sicher – sei es beim Bäcker oder beim Frisör, und in der Reibeisen Kelly ihrer feinen Boutique sowieso. Denn die Angehörigen der GSG9 genossen zu jener Zeit in Deutschland einen noch attraktiveren Ruf als die Chippendales. Doch für erotische Träumereien war jetzt nicht die Zeit.
    Keine Stunde nach ihrer Ankunft mit dem Hubschrauber hatten die Spezialkräfte auf dem Bankgelände Position bezogen. Auch auf den Dächern der umliegenden Gebäude lauerten Männer in dunkelblauen Kampfanzügen und mit furchterregenden Kampfhelmen, auf dem Dach der Genossenschaftsbank hatten sich an den Dachfenstern durchtrainierte Muskelpakete auf die Lauer gelegt. In der Hütte, die bislang allein Anne und ihren Kollegen als Operationszentrale gedient hatte, hatte der Kommandant der Einheit Stellung bezogen. Er hieß Schramm, und war ein Elitepolizist, wie er im Buche steht. Stechender Blick, herrlicher Bizeps, breitbeiniger Stand. Den Kripokollegen aus der Kreisstadt hatte er mittels eines kurzen Telefonats abgefertigt. Schönwetter solle sich um andere Verbrechen

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