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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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fragte der GSG9-Chef scharf in Annes Richtung. »Könnte es nicht sein, dass dieser Gräber bereits vor dem Überfall zum Kreis der Komplizen von ›Anonymous Bankräuber‹ zählte?«
    »Also, ich bin mir sicher, der wollte Ihren Roland nicht treffen. Der hat einfach bloß wild herumgeballert.« Sepp Kastner holte kurz Luft und fügte dann hinzu: »Und außerdem: Wie soll denn so ein alter Mann aus einem Bergtal überhaupts mit solchen Anonymous-Verbrechern in Kontakt kommen? Im Altenheim gibt’s kein Internet, bloß Luftballons und Halma.«
    Der Einsatzleiter der Spezialkräfte zog ein Papiertaschentuch aus der Kampfhose und schnäuzte sich. »Die sozialen Netzwerke machen alles möglich.«
    »Stockholm-Syndrom«, sagte Anne ruhig. »So wie der gerade aufgetreten ist, hat der sich doch mit denen verbündet.«
    »Stockholm-Syndrom?«, fragte Kastner. »Das hab ich doch schon mal gehört …«
    »Ein Phänomen, das erstmals neunzehnhundertsiebzig beobachtet wurde«, führte Anne aus. »Auch damals handelte es sich um eine Bank. Allerdings eine in Schweden.« Anne tippte einige Male auf die Tastatur ihres Computers und las dann aus dem Online-Lexikon vor: »›In erster Linie manifestiert sich die Wahrnehmungsverzerrung, die zum Stockholm-Syndrom führt, darin, dass die subjektive Wahrnehmung der Geisel nur einen Teil der Gesamtsituation erfassen kann. Das Opfer erlebt eine Zurückhaltung der Einsatzkräfte vor Ort, es fühlt sich mit zunehmender Dauer der Entführung allein gelassen. Dagegen wird das Agieren der Geiselnehmer überproportional wahrgenommen, schon kleinste Zugeständnisse (das Anbieten von Nahrung, auf die Toilette gehen lassen oder Lockern von Fesselungen) werden als große Erleichterungen empfunden. Das Opfer erlebt eine Situation, in der es ausschließlich »Gutes« von den Geiselnehmern erfährt.‹«
    »Ja, von wegen!«, meinte Nonnenmacher. »Ausschließlich Gutes! Mich haben’s halb tot geschossen!«
    »Aber der Didi Gräber ist doch dement«, entfuhr es Kastner.
    »Sagen die vom Altersheim!«, polterte Nonnenmacher. »Kann gut sein, dass der eigentlich fit ist wie ein Haferlschuh. Aber damit der im Heim eine Ruh’ gibt, pumpen die ihn voll mit Medizin … Da braucht man ja bloß einmal Fernsehn zum schauen, da weiß man, was hinter den Mauern von Altenheimen so alles vor sich geht. Da graust’s der Sau, wenn man das sieht, das sag jetzt aber ich!« Sein Magen heulte auf. »Und kaum ist der Gräber in Freiheit und wird nicht mehr ruhiggestellt, sieht man, zu was der fähig ist … Ich glaub, dass in den Altenheimen ein ganzer Haufen rüstiger Senioren kaltgestellt wird.«
    »Mich würde viel mehr interessieren, woher die wussten, dass wir den Zugriff planen«, sagte Anne, ohne auf Nonnenmachers sozialkritische Thesen einzugehen.
    »Das frage ich mich allerdings auch«, meinte der Einsatzleiter und blickte die drei einheimischen Polizisten böse an.
    »Sie glauben jetzt aber nicht …«, stotterte Kastner nervös, »… dass wir, also dass … warum schauen Sie uns jetzt so an?«
    »Ich sage nur, dass so etwas in der gesamten Geschichte der GSG9 noch nicht passiert ist«, stellte der Eliteeinheitschef mit schneidender Stimme fest. »Dass ein verrückter alter Mensch unseren Einsatzplan zunichtemacht. Wo kommen wir denn da hin, verdammt?« Er zögerte kurz, anscheinend teilte ihm gerade einer seiner Männer etwas über das Headset mit. »Nein, Break, Salami, Abbruch, Konvers, Rückzug Räuberdatschi. Over.«
    Nonnenmacher lächelte entrückt: Räuberdatschi!
    »Ich glaube, ich weiß, woher die wussten, dass wir einen Zugriff planen«, meinte Anne und deutete auf den Monitor.
    Der Einsatzleiter beugte sich interessiert vor, damit er den Bildschirm besser sehen konnte. Auch die anderen Männer wandten sich dem Computer zu – und konnten kaum fassen, was sie erblickten. Auf dem Bildschirm waren zwei Bildausschnitte zu sehen, die beide dasselbe Motiv aus unterschiedlichen Perspektiven zeigten: Es handelte sich um das Gebäude der kleinen Bank an dem See inmitten von Bergen, das gerade eine Gruppe perfekt ausgebildeter Elitekämpfer der Bundespolizei versucht hatte zu stürmen.
    »Das sind Livebilder«, stellte Anne trocken fest.
    »Ja, sagen Sie einmal!«, flippte jetzt der GSG9-Einsatzleiter aus. »Wie kann es sein, dass hier überall Überwachungskameras stehen, die live ins Internet, also praktisch in die ganze Welt senden? Sind diese Kameras etwa von Ihrer Dienststelle montiert worden?«

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