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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Hartmann
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Leibmedicus machtlos war. Wenn man altert, sollte man an Weisheit zunehmen, sagte die sanfte Franziska. Sanft war sie, aber von ermüdender Beharrlichkeit, geradezu eine Verbündete Bühlers.
    Der Herzog erhob sich mit einer schraubenden Bewegung des Oberkörpers, der Jagdrock spannte unter den Achseln. Probehalber machte er den einen oder andern Tanzschritt auf den Spiegel zu, vom Spiegel weg. Hannikel, Hannikel: der Name ging ihm nicht aus dem Kopf. Nun ja, dieser Hannikel schien ein besonders verkommener Kerl zu sein, es war wichtig, an ihm ein Exempel zu statuieren. Schäffer war der Garant dafür, der Mann hatte Furore gemacht mit seiner ellenlangen Liste von mehreren hundert Gesetzesbrechern. Es war ein Drang in ihm, alles Ungesetzliche und Aufrührerische auszurotten, das konnte man brauchen und nutzen im Lande Württemberg. Wieder seufzte der Herzog. Er tat das Menschenmögliche, das musste ihm auch Franziska zugestehen. Er bot Hand für Reformen, er hatte sich mit den Landständen versöhnt. Noch einmal: Was wollte sie mehr? Genug davon. Er klatschte in die Hände. Es war Zeit, man wartete auf ihn.
    Vom Pavillon aus schossen die Gäste ununterbrochen auf die Tiere, die aus dem Gehege getrieben wurden. Hirsche, Rehböcke, Wildschweine stürzten sich in den See, versuchten nach links und rechts auszubrechen, bäumten sich auf, sanken blutend und zuckend ins Wasser, verröchelten am Ufer. Bisweilen krachten Geweihe zusammen, oder Leiber prallten aufeinander, was jedes Mal im Gedränge der schießenden Gäste Beifall hervorrief. Es herrschte ein Tohuwabohu von Tierlauten, Gelächter, Jubel, Geknalle; Pulverrauch strich in dichten Wolken über das Gelände. Von dorther, wo die Kutschen standen, hörte man Gewieher, vereinzelt nur Gebell, denn bei Lustjagden waren Hunde unerwünscht. Herzogliche Jäger, erkennbar an ihrer grünen Uniform, standen den Gästen bei, luden die Gewehre nach, auch einige Damen trafen mit ihrer Hilfe ohne Mühe das Rotwild. Schwieriger war es, Hasen zu töten, die panisch herumhetzten und vergeblich zu entweichen versuchten, noch schwieriger, Fasane und Tauben, denen man vorher die Flügel gestutzt hatte, im taumeligen Flug zu erwischen. Jeder gute Schuss erntete Applaus. Auch der Gestank nach Eingeweiden, Kot und Blut, der immer stärker wurde, trübte die allgemeine Euphorie nicht. Bald würde es, dank der Fleischspieße, die nun über großen Feuern gedreht wurden, ohnehin besser riechen.
    Zudem verbrannten die Köche ganze Kräuterbüschel mit Rosmarin und Thymian, um den Pulverdampf zu vertreiben. Ab und zu ordnete der Oberjägermeister eine Pause an, damit die toten Tiere beiseitegeschafft, gehäutet, ausgeweidet und zerstückelt werden konnten. Auf besonderen Wunsch seiner Frau, so hatte der Herzog es zuvor angekündigt, erhielten verendende Tiere den Fangschuss, so dass sie nicht zu lange leiden mussten. In den Pausen trank man Champagner aus Mömpelgard, es wurden kleine Erfrischungen gereicht. Die Herren überboten sich gegenseitig in der Schilderung ihrer Heldentaten bei vergangenen Parforce-Jagden. Mit großem Aufwand wurde dem Herzog der Wolf, der das Wasser scheute, vor die Flinte getrieben. Es blieb unklar, ob es in der Tat Seine Durchlaucht war, die ihn erlegt hatte, oder doch der Oberjägermeister, der nach dem Herzog mehrere Schüsse auf das zusammenbrechende Tier abfeuerte. Der Wolf jedenfalls war ein altes Männchen mit scheckigem Fell, dem man etwas Tannenreisig ins aufgesperrte Maul legte. Der Herzog erhielt Gratulationen von allen Seiten, sogar der Generalleutnant von Rieger, der ein weit besserer Schütze war als er, bequemte sich zu einer ungewöhnlich tiefen Verbeugung. Die Schießerei dauerte bis zur Dämmerung, da war der künstliche See vom Tierblut gerötet und an einigen Stellen vom aufgewühlten Schlamm schwarz gemasert. Dies ergab, so fanden die Gäste, im unruhigen Licht der Kerzen und Fackeln, die nun angezündet wurden, einen ganz besonderen Effekt, besonders, als dann die venezianischen Gondeln über den nunmehr freigeräumten See fuhren und dabei beinahe zu schweben schienen. Man verspeiste Wildbret in der frühen Nacht, man wischte sich Fett von Mund und Kinn, und wer Wild nicht mochte, bekam Pastete und Huhn.
    Einige unversehrte oder nur leicht verwundete Tiere, vor allem Sauen, wurden noch in derselben Nacht freigelassen und zerstörten in der Umgebung, zum Ärger der Bauern, Acker und Pflanzungen. Kadaver, die sich nicht verwerten ließen, wurden

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