Räuberleben
hatte, machten sie wieder Feuer, und weil das Holz nass war, bildete sich schwarzer Rauch, der lange über ihnen hängenblieb. Da hörten sie Hufgetrappel, näherkommendes Hundegekläff, es war zu spät, sich davonzumachen. Eine Jagdgesellschaft, die den Rauch bemerkt hatte, stieg oben am Felsen ab, einige Männer drangen mit vorgehaltenen Gewehren in die Ruine ein. Hätten sie sich gewehrt, sagte der Dad später, wäre es zu einem sinnlosen Blutbad gekommen. Er gab sich, wie gewohnt, als gelernter Jäger aus, der in seiner Flinte nur Schrot geladen habe, Kilian Schmid heiße er, das war sein Deckname. Doch dieses Mal glaubte man ihm nicht, der herrische Anführer - es war der Graf von Salis-Zizers - befahl, Hannikels Flinte zu entladen, es kamen Patronen zum Vorschein. Die ganze Schar sei festgenommen, beschied der Graf. Hannikel begehrte auf, mahnte aber seine Männer, die nach dem Messer greifen wollten, zur Ruhe. Dieterle wusste nicht, wie ihm geschah, er dachte daran, auszureißen, sah aber ein, dass man ihn, zu Pferd, bald eingefangen hätte. In einer traurigen Kolonne marschierten sie nach Chur, den Männern hatte man die Hände auf den Rücken gebunden. Gaffer überall an der Straße. Bei der Rheinbrücke versuchte Geuder wegzurennen, im Nu hatten zwei ihn eingeholt, geohrfeigt und wieder in die Kolonne eingereiht.
Man setzte sie im Churer Turmgefängnis fest. Ein übles Gedränge in der Männerzelle.
Geuder, dessen Wange geschwollen war, summte ein Lied, Dieterle kannte die Worte:
Wie ein Fluss, so ist das Leid, / kommet lang und gehet weit, / bis ein größres Leid noch kommt, / und mündet in den Fluss. Geuder summte die Melodie ein ums andere Mal, und erst als Wenzel ihn anschrie, er solle aufhören, verstummte er.
Der Junge blieb beim Dad und bei Bastardi und kam nicht zu den Frauen, das war ein kleiner Trost, so galt er doch nicht mehr als Kind. Sie hatten stundenlang Zeit, miteinander zu mutmaßen, was nun geschehen würde. Schon auf dem Weg nach Chur hatte der Dad mehrmals versichert, man werde sie bald wieder freilassen, sie hätten hier nichts Schlimmes verbrochen, allenfalls bekämen sie wegen Landstreicherei eine Tracht Prügel und würden dann über irgendeine Grenze gebracht. Aber der Dad täuschte sich. Es stellte sich heraus, dass der Verhörrichter Bawier sie in der Tat verdächtigte, die Hannikelbande zu sein, auch wenn sie es heftig leugneten. Auf die Streckbank wurde zum Glück keiner gelegt, und Dieterle, der die ganze Zeit schwieg, ließ man in Ruhe. Die Hannikelbande, sagte Bawier mit seiner Näselstimme, werde in halb Europa gesucht, die Beschreibungen des Oberamtmanns Schäffer, den man allenthalben hoch schätze, seien bis hierher gelangt und würden fleißig konsultiert, sie träfen im Besonderen auf den Mann zu, der sich Kilian Schmid nenne. Er werde, fuhr der Richter fort, den Oberamtmann benachrichtigen und ihm freistellen, die Verhafteten abzuholen und, sofern sich der Verdacht bewahrheite, nach Sulz zu überführen.
Schäffer: da ist er wieder, der verhasste Name, und streicht wie ein Eishauch über sie. Von Schäffer müssen sie das Schlimmste befürchten. Der Dad ist voller Unruhe, er atmet schwer, als drücke ein großes Gewicht auf seine Brust. Wieder im Turm, kündigt er an, er werde in der Nacht zu fliehen versuchen, man wolle ja doch ihm an den Kragen, und sei er frei, hole er Hilfe, eine halbe Armee von Mitstreitern werde er landauf, landab zusammentrommeln. Dieterle kann es kaum glauben, dass der Dad ohne ihn und Bastardi fortwill. Die Söhne widersprechen, Bastardi mit aufsässigen Worten, Dieterle dem Weinen nahe. Doch die andern bringen sie zum Schweigen, ihr Hauptmann, sagen sie, habe ein Recht darauf, sein Glück allein zu versuchen.
In der Nacht versucht der Dad mit einem großen Stein, den er gegen das kleine Zellenfenster schlägt, die Öffnung zu erweitern; Wenzel hilft ihm dabei. Das macht Lärm, eine Wache läuft herbei, ruft nach Verstärkung. Ohne lange Umstände wird Hannikel überwältigt und von den anderen abgesondert. Man stößt ihn in den Kerker nebenan und schließt ihn an den Block. Nun ist er am Hals, an den Händen und an den Füßen angekettet, und eine schwere Eisenkugel erlaubt ihm höchstens einen Schritt in die eine oder andere Richtung.
Dieterle hat sich in der Nacht die Ohren zugehalten, die Augen zugekniffen, er will nicht wissen, was geschieht. Den Vater kann er bloß noch hören, wenn er nach Wasser schreit und die Welt
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