Räuberleben
Schriftzügen überhaupt folgen zu können. Doch der Oberamtmann ließ sich, was die Ausgaben für Beleuchtung betraf, nicht umstimmen; eine Öllampe wurde erst angezündet, wenn es draußen Nacht geworden war.
Im Keller des Oberamts hatte Schäffer, als letztes Drohmittel, eine Streckbank aufstellen lassen, ausgestattet mit Ketten, drehbaren Lagern, Seilzügen und Kurbeln. Sie kam aus dem Lagerraum des Stadtgefängnisses. Man hatte sie, aufgrund eines herzoglichen Erlasses, seit zehn Jahren nicht mehr eingesetzt. Schäffer aber führte Malefikanten, deren dreiste Lügen ihn erzürnten, über zwei Treppen zu ihr hinunter und erklärte ihnen in sachlichem Ton, was hier geschehen würde: dass erst die Arm- und Beinmuskeln, dann die Bauchmuskeln reißen, schließlich die Glieder ausgerenkt und aus den Gelenken gezerrt würden; ob sie dies wirklich wollten? Grau, der mitging, wurde es schlecht schon nur beim Gedanken daran. Ausnahmslos genügte eine solche Besichtigung, um ein Geständnis zu erwirken.
Weit zurück blendete Schäffer jeweils am Anfang einer Befragung. Er wollte wissen, wie die Übeltäter auf die Verbrecherlaufbahn geraten waren. So erzählte der Stotterer Nottele, dass seine Mutter ihn im Zuchthaus geboren, dass er früh schon aus Not gebettelt und Schafe gestohlen habe. Üble Brut brüte üble Brut aus, sagte Schäffer nach einem Verhör zu Grau; man müsste die Zigeunerkinder früh genug in eine andere Umgebung bringen und sie aufziehen im Geist des Christentums. Eyt, der dabeistand, stimmte Schäffer mit so heftigem Kopfnicken zu, dass er beinahe aus dem Gleichgewicht geriet. Manchmal brachte Grau die widerstandslose Beflissenheit des Gehilfen in Rage. Dann wieder erkannte er darin beschämt ein Zerrbild seines eigenen Verhaltens und ärgerte sich trotzdem über Eyts fliehendes Kinn und sein dauerndes Zwinkern. Der Amtsdiener Roth, Eyt und Grau selbst: sie waren zusammengeschmiedet durch die Notwendigkeit, sich im Amt unentbehrlich zu machen. Hätten sie ihre Stelle verloren, wären Dutzende bereit gewesen, sie zu ersetzen.
Bei Hannikels ersten Lebensjahren verweilte Schäffer besonders lange. Mit geradezu brennendem Interesse inquirierte er sowohl ihn selbst als auch seine alte Mutter, die Geißin, die inzwischen ebenfalls in Haft saß, ausführlich dazu. So erfuhren die Zuhörer, dass Hannikel auf offenem Feld, hinter einer Hecke geboren worden war. Mit Gras rieb ihn die Mutter ab, brachte ihn dann ins nächste Dorf zur Taufe. Sie war damals allein, angewiesen auf die Hilfe mildtätiger Seelen - eigentlich unerklärlich für eine ihres Schlages, die sich sonst innerhalb der Sippe bewegte. Sie hatte sich wohl wegen des Tambours, der Hannikels Vater war, mit den Ihren zerstritten, doch das behielt sie für sich. Als sie nach der Geburt wieder zu Kräften kam, musste sie weiter und trug das Kind in einem Tuch mit sich, hatte aber kaum genug Milch, um es zu stillen. Hauptsächlich mit Betteln und Wahrsagerei brachte sie sich und den Kleinen durch. Zwei weitere Söhne von Männern, bei denen sie Schutz gesucht hatte, kamen hinzu. Fast überall, so klagte die Geißin, sei sie weggejagt, oft auch in Arrest genommen worden. Und jeden Abend die Sorge, wo sie und die Kinder sich hinlegen könnten, die Suche nach einem Dach bei Regenwetter und Kälte. Gelegentlich habe sie ein Huhn gestohlen, Obst, Kohl und Rüben aus Gärten und Feldern, auch Feuerholz, es tue ihr leid. Als man Hannikel darauf ansprach, fragte er grimmig, was denn seiner Mutter anderes übriggeblieben sei? Man habe die Hunde auf sie gehetzt, sie geschlagen, und das habe sie den Kindern zuliebe in Kauf genommen. Die sicherste Zeit war die, als sie, zusammen mit den Söhnen, Gänse und Schweine hütete; aber auch von dort wurde sie vertrieben, und so war es eine wahre Erlösung, als sie der berüchtigte Bochowitz - er war entfernt mit ihr verwandt - in seine Sippe aufnahm und die Geißin, so Hannikel, nun Menschen um sich hatte, die mit ihr teilten, was sie besaßen. Ob man dies nicht auch christlich nennen dürfe?
Schäffer verbat sich solch eine impertinente Frage; hätten die Zigeuner die christlichen Grundsätze befolgt, wären sie auf dem Pfad der Tugend geblieben. Ob Hannikel in jungen Jahren nie versucht habe, sich von der Räuberlaufbahn abzuwenden?
Er habe es mehrfach versucht, sagte Hannikel mit gesenktem Kopf, er habe sich als Knecht in einer Glashütte verdingt, er sei Wildhüter, Hausierer und Porzellanverkäufer gewesen, doch
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