Räuberleben
gewiss gewährt.«
»Natürlich. Es ist bloß etwas kompliziert, weil Hannikel und die Seinen katholisch sind und alles Evangelische kategorisch ablehnen.«
»Auch über solche Dinge entscheidet dieser Schäffer, nicht wahr? Man lobt ihn zurzeit überall. Keinen besseren Räuberfänger gebe es im ganzen Reich. Ist er aber nicht etwas gar zu fanatisch?«
Der Wind strich über sein heißes Gesicht, das tat ihm gut. Schäffer zu erwähnen war ein weiterer kleiner Stich. Fanatisch war der Mann nicht unbedingt, aber er drängte sich zu sehr in den Vordergrund. Man konnte geradezu eifersüchtig auf den Ruhm sein, den seine Fahndungserfolge ihm einbrachten. Das durfte indessen nicht einmal Franziska merken.
»Der Mann ist tüchtig«, sagte er. »Ich habe ihn belobigt. Letztlich tut er einfach seine Pflicht.«
»Du willst ihn doch nicht etwa zum Geheimrat machen?«, sagte sie in seinem Rücken. Sie hatte jenen insistierenden Tonfall angenommen, aus dem bisweilen etwas Nörglerisches herausklang, das sie dann mit einem halbherzigen Scherz zu überspielen versuchte. »Ein solcher Mann würde, glaube ich, in seinem Eifer am liebsten halb Württemberg verhaften.«
Er fuhr herum. »Geheimrat? Keine Rede davon. Er bleibt, wo er ist. Dort nützt er mir am meisten.« Schon wieder redete Franziska, obwohl er sich’s oft genug verbeten hatte, in seine Angelegenheiten hinein. Und wiese er sie zurecht, würde sie sagen, dass sie nichts anderes tue, als den Ehemann an das christliche Fundament seines Handelns zu erinnern. So ließ er die Zurechtweisung bleiben, und Franziska drang weiter auf ihn ein.
»Sag mir, mein Lieber, was geschieht mit den Frauen, den Kindern, die zu Hannikels Sippe gehören?«
»Sie kommen nach Ludwigsburg, ins Zucht- und Waisenhaus, wo, wie du weißt, streng auf eine christliche Erziehung geachtet wird.« Flüchtig erinnerte er sich an den Besuch im Waisenhaus vor einem knappen Jahr. Schlecht gerochen hatte es dort, aber die Zöglinge wurden gut gehalten. Keiner musste hungern, und hart zu arbeiten lernten sie auch.
Franziska war aufgestanden. Sie ging, nein, sie glitt auf ihre lautlose Weise zu ihm, feenhaft war dies, hatte er manchmal gedacht, und doch sehr irdisch. Sie schlang ihre Arme um ihn, legte den Kopf an seine Schulter. »Wir wollen hoffen und beten, dass diese Leute dort zu besseren Menschen werden. Besonders um die Kinder ist es mir zu tun.« In ihrer Umarmung schmolz sein aufkeimender Ärger. Von Anfang an hatte sie diese Wirkung auf ihn ausgeübt, er floh vor ihr und suchte sie wieder.
»Gewiss, von den Kindern«, sagte er Franziska ins Ohr, »hängt die Zukunft des Landes ab. Von den Kindern aller Stände. Wie sollte ich mein Augenmerk nicht auf sie richten?«
Sie mochte es, wenn er sich in solchen Sentenzen ausdrückte, und ihm gefiel es, wenn ihre Augen bewundernd aufleuchteten. Aber das waren nicht nur Worte; an den dreihundert Zöglingen, die an seiner Akademie zu Württembergs Elite herangebildet wurden, vertrat er die Vaterstelle, und sie dankten es ihm mit Gehorsam und ausgezeichneten Leistungen. Dafür bewunderten ihn die Gebildeten Europas doch weit mehr als diesen Schäffer für seine Räuberfängerei. Eheliche Kinder - außer dem frühverstorbenen Töchterchen - waren ihm leider versagt geblieben. Er dachte an die außerehelichen Söhne, Früchte der vielen Liebschaften in der Zeit vor Franziska; über siebzig hatte er anerkannt. Einigen von ihnen hatte er eine Ausbildung ermöglicht, zu einer Stelle oder einer gutdotierten Ehe verholfen. Aber zu Bastarden darf der Herzog keine nahe Beziehung unterhalten; keinen seiner Söhne hatte er aufwachsen sehen. Und die Schar von unehelichen Sprossen - die Mädchen noch dazugerechnet - war naturgemäß ein Stein des Anstoßes zwischen ihm und Franziska. Auch heute wich er diesem Thema lieber aus. Stattdessen beschrieb er wortreich, wie umfassend er das Waisenhauswesen im Herzogtum ausbauen wolle; zugleich wusste er genau, dass er das Geld dafür nicht hatte.
Sie hörte ihm zu, er steigerte sich in einen Enthusiasmus hinein, mit dem er sie noch immer mitzureißen verstand. So lenkte er sie von Hannikel und den Seinen ab, und er selbst schob damit das Bild des eisernen Käfigs, in dem das Entsetzen lauerte, weit von sich weg.
Das Entsetzen kehrte in der Nacht wieder, als sie, nach einer ausgiebigen Mahlzeit in kleiner höfischer Gesellschaft, beieinanderlagen. Er hatte Franziskas Nähe gesucht, sie hatte ihn nicht abgewiesen. Wenn
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