Räuberleben
beharrlich um sie warb. Drei Jahre dauerte es, bis sie, nach ihrer Scheidung, seine Mätresse wurde, dreizehn weitere, bis sie heiraten konnten. Zuvor hatte Karl Eugens offizielle Gemahlin das Zeitliche gesegnet, und zahllose kirchen- und landesrechtliche Schwierigkeiten waren zu überwinden gewesen. An die Trauung durch den Hofkaplan, die endlich Franziskas letzte Gewissensbisse beseitigt hatte, dachte der Herzog oft mit stiller Freude zurück; das gegenseitige Jawort war ihm vorgekommen wie ein Triumph über alle Kleingeister und Neider.
Er hätte gern verschleiert, was er im Spiegel sah, noch lieber hätte er an einen Jungbrunnen für sie beide geglaubt, und trotzdem war er gerührt davon, dass aus ihnen genau das Paar geworden war, das der Spiegel ihm zeigte. Eigentlich war es fast ein Wunder, dass die lange Zeit ihres gemeinsamen Lebens sie nicht auseinandergebracht hatte. Er wusste selbst, dass er unter Franziskas Einfluss ein anderer geworden war. Sie - deshalb wurde sie im Land geliebt - hatte sein cholerisches Temperament gemildert, sein Interesse an der Bildung geweckt, seine Versöhnung mit den aufsässigen Landständen befördert. Er fresse der Protestantin aus der Hand, sagten Franziskas Feinde, die immer noch hofften, der Herzog werde das Land Württemberg rekatholisieren. Das stimmte gar nicht, und deshalb war es ihm egal. Die glanzvolle Repräsentation, ohne die ein Fürst kein Fürst war, hatte sie ihm ohnehin nicht ganz austreiben können, und Herr über Recht und Ordnung war immer noch er, da hatte, wie sie wusste, seine Nachgiebigkeit klare Grenzen. Auch um ihr dies erneut zu sagen und notfalls zu begründen, war er hier.
Jetzt, nach einem Schweigen, das beide deuten mochten, wie sie wollten, drehte sie sich zu ihm um. »Du hast geschwitzt«, sagte sie mit mildem Vorwurf. Er nickte und schaute auf die feuchten Haare, die sich in seinem Hemdausschnitt kräuselten. Er wusste, dass sie starken Schweiß nicht mochte und überhaupt das »Animalische« an ihm sie manchmal zurückweichen ließ. Aber er hatte unter dem Druck des bevorstehenden Gesprächs vergessen, warmes Wasser und ein neues Hemd herbeizuordern.
»Ich hatte es eben eilig, zu dir zu kommen«, sagte er nach einem Räuspern. »Vor dem Diner nehme ich noch ein Bad, versprochen.«
Sie legte den Kopf auf ihre anmutige Weise ein wenig schief. »Das ist lieb von dir.«
Das Räuspern kam von selbst, er konnte es nicht unterdrücken. »Hör mir zu, mein Schatz, und sei mir nicht böse. Ich muss dir eine unangenehme Mitteilung machen.«
Sie straffte sich auf ihrem geblümten Stuhl; ihre hochgewölbten Augenbrauen zogen sich zusammen. »Nun?«
»Die Sache mit diesem Hannikel. Sie ist entschieden. Die vier schlimmsten Halunken werden hängen.« Es war heraus, aber viel derber und kürzer, als er beabsichtigt hatte.
Und schon wurden, wie er befürchtet hatte, ihre Augen feucht. »Du musst sie begnadigen, mein Lieber, das ist deine christliche Pflicht.«
Er wich ihrem Blick aus und sah sich im Spiegel den bäurischen Kopf schütteln. »Unmöglich, Franzele. Ich täte es gern, aber das Volk würde es nicht verstehen.« Er setzte an zu einem Vortrag über Recht und Ordnung und die Greuel, die vom Zigeunergesindel begangen worden waren und in den Augen des einfachen Volkes durch die Todesstrafe gesühnt werden mussten.
Doch sie unterbrach ihn nach wenigen Sätzen, dazu brauchte sie nur ein wenig ihre Stimme zu erheben. »Das Volk möchte doch einen gütigen Vater über sich wissen. Willst du ein solcher Vater sein oder nicht?«
»Ich bin es«, erwiderte er und reckte trotzig das Kinn. »Aber auch der gütigste Vater muss zur rechten Zeit die richtige Strafe aussprechen.«
»Kein Vater tötet seine Kinder.« Sie stutzte, schaute ihn forschend an. »Hast du schon unterschrieben?«
Er unterdrückte den Drang, sich am Nacken zu kratzen, wo ihn am Vorabend eine Mücke gestochen hatte; er wusste, dass sein Schweigen ihn verriet.
Sie wischte - allzu theatralisch, wie ihm nun doch schien - mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel. »Es ist schrecklich. Dann werden wieder Tausende herbeiströmen und sich daran weiden, wie vier Übeltäter sterben.«
In seine Verlegenheit mischte sich Ärger. Er brauchte Luft, es trieb ihn zum Fenster, das er heftig aufriss. Er atmete in tiefen Zügen. »Wie und vor welcher Kulisse die Hinrichtung sich abspielt, ist Sache des Oberamts, da mische ich mich nicht ein.«
»Geistlicher Beistand wird ihnen doch
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