RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
viel Glück ich habe.
Ich wohnte mit allen anderen Sportlern im Olympischen Dorf und erlebte wie beim Daviscup wieder einmal den Mannschaftsgeist, der mir als Kind beim Fußball so gefallen hatte. Mit meinen spanischen Mannschaftskameraden unter einem Dach zu wohnen, die spanischen Basketballspieler und Leichtathleten (von denen mich einige auf dem Flur oder in der gemeinsamen Waschküche, wo wir unsere Wäsche wuschen, ansprachen und um ein Autogramm baten, was mir ein bisschen peinlich war) kennenzulernen, sich mit ihnen anzufreunden und gemeinsam mit ihnen im Dress der spanischen Olympiamannschaft bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einzuziehen – das alles waren unvergessliche Erlebnisse. Aber mein Gefühl, viel Glück zu haben, ging mit einer beträchtlichen Dosis Verärgerung einher.
Besser denn je begriff ich, wie privilegiert wir Profitennisspieler sind und wie ungerecht die schwierige Lage vieler anderer Olympioniken ist. Sie trainieren unglaublich hart, mindestens so hart wie wir, bekommen aber tendenziell eine weit geringere Gegenleistung als wir. Ein Tennisspieler, der auf Platz acht der Weltrangliste rangiert, erhält finanzielle Leistungen, soziale Privilegien und ein Maß an Anerkennung, von denen die Weltranglistenersten in der Leichtathletik, im Schwimmen und Turnen nur träumen können. Im Tenniszirkus wird das Jahr über alles für uns organisiert, und das Geld, das wir verdienen, ermöglicht es uns, für die Zukunft zu sparen. Diese Sportler trainieren mit der eisernen Disziplin von Mönchen über vier Jahre, um sich für den einen Wettkampf vorzubereiten, der alle anderen überragt, die Olympischen Spiele, aber die große Mehrheit von ihnen erhält, gemessen an den aufgewendeten Mühen, nur wenig Unterstützung. Es ist bewundernswert, dass sie sich mit derart hohen persönlichen Opfern so intensiv vorbereiten, nur wegen der Befriedigung, am Wettkampf teilzunehmen und wegen ihrer sportlichen Leidenschaft. Das ist von unbezahlbarem Wert, sollte aber nicht alles sein. Bei den enormen Einnahmen, die das Internationale Olympische Komitee mit den Olympischen Spielen – einem Ereignis, dessen Erfolg vom Engagement der Sportler abhängt – erzielt, sollte man erwarten, dass es diese Gelder ein bisschen gerechter verteilen könnte. Zum Glück bin ich nicht auf eine solche Bezahlung angewiesen, aber ein 400MeterAthlet oder ein Marathonläufer braucht viel finanzielle Unterstützung, um auf dem Niveau trainieren zu können, das für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen und den Kampf um Medaillenplätze ausreicht. Mir ist durchaus bewusst, dass der Tennissport, zumindest über das Jahr gesehen, ein breiteres Publikum anspricht, aber ich finde es ungerecht, dass man sich nicht stärker bemüht, diesen unglaublich engagierten Sportlern bessere Lebensverhältnisse und Trainingsbedingungen zu ermöglichen.
Diese Überlegungen kamen mir allerdings erst nach den Spielen. Meine Zeit in Beijing war nicht geprägt von solchen Gedanken. Vielmehr hat sich mir vor allem die Kameradschaft unter den Sportlern und die Chance eingeprägt, etwas über so viele verschiedene Sportarten zu erfahren und zu erleben, wie viel wir alle gemeinsam haben. Allein schon die Teilnahme und der Zugang zu einer Welt, die kennenzulernen ich nie gedacht hätte, war erhebend genug. Als ich dann auch noch Gold im Herreneinzel gewann, nachdem ich Djokovic im Halbfinale und den Chilenen Fernando Gonzalez im Finale geschlagen hatte und dann auf dem Siegertreppchen stand, die Nationalhymne hörte und sah, wie die spanische Flagge gehisst wurde, das war einer der stolzesten Momente in meinem Leben. Die meisten bringen die Olympischen Spiele nicht mit Tennis in Verbindung. Als ich aufwuchs, tat ich es jedenfalls nicht. Erst 1988 wurde Tennis nach 64 Jahren wieder als Wettbewerb bei den Olympischen Sommerspielen ausgetragen. Bei Tennisspielern rangiert die olympische Goldmedaille mittlerweile jedoch gleich nach einem Grand-Slam-Sieg.
Das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres sind die Australian Open in Melbourne. Es ist ein angenehmes Turnier, nicht so laut wie die US Open, lockerer als Wimbledon und nicht so großartig wie Paris – auch wenn man mich in einer Hotelsuite unterbringt, in der ich beinahe Hallenfußball spielen könnte. Das Essen in Melbourne gefällt mir. Unten im Hotel gibt es ein hervorragendes japanisches Restaurant. Auch die fünfminütige Fahrt durch die üppig grüne Parklandschaft zum Melbourne Park, wo der Wettbewerb
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