Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
Augen ansah.
Sein Blick wirkt menschlich
, dachte sie erschrocken. Der Rabe flatterte auf und flog davon.
Überall sehe ich Gefahren. Dabei ist Tokio für seine Rabenplage bekannt
. Auf einem nahen Baum entdeckte Nadja ein gewaltiges Rabennest aus Kleiderbügeln und menschlichen Bauabfällen. Die Tiere hatten sich ideal den Umgebungsbedingungen angepasst.
Die Elfen beachteten das sonderbare Nest nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt den Wolkenkratzern, die sie mit großen Augen anstarrten.
»Sie sind so riesig«, murmelte Chiyo andächtig, während sie zwischen den Häusern entlanggingen. »Wie Berge aus Glas und Metall!«
»Sie sind hässlich«, mischte sich Torio ein. »Und alles hier stinkt. Besonders diese Dinger, die du
Autos
nennst, Nadja. Sie stinken entsetzlich!«
Während Naburo sich in Zurückhaltung übte und Kush Mülltonnen und Laternen auf der Suche nach rohem Fisch beschnüffelte, entbrannte zwischen Chiyo und Torio ein heftiger Streit über die Menschenwelt.
»Uragirmon, verstehe doch! Sie haben keine Magie, und trotzdem können sie solche Gebäude errichten! Ist das nicht grandios?«
»Sie sind grob und geschmacklos! Alles ist wild zusammengewürfelt, als hätte jemand Reste weggeworfen! Und dann dieses ganze grelle Licht an den Fassaden! Diese künstlichen Farben! Die Sonne und ihre Himmelsfarben sind ihnen nicht gut genug!«
»Auch wir vertrauen nicht nur der Sonne. Wir haben Kerzen! Und magisches Licht!«
»Und Geschmack«, ergänzte Torio.
Nadja konnte ihm derzeit nicht widersprechen. Der Himmel war grau, die unzähligen Fenster der aufragenden Wolkenkratzer lagen matt da und konnten kaum Licht reflektieren. Das erwachende Tokio war faszinierend, aber es war zugleich wie jede Stadt dieser Größenordnung: wild zusammengewürfelt, in einigen Ecken ausgesucht schmutzig und von Lärm und Gestank erfüllt, wenngleich Nadja gerade ihn nicht so intensiv wahrnahm wie Torio mit seinen elfischen Sinnen und sich der Müll stark in Grenzen hielt.
Viele Menschen verursachen eben auch viel Dreck. Japan hat ebenso wie Deutschland im Zweiten Weltkrieg gekämpft und verloren. Gerade in Tokio wurde alles zerstört. Man sieht hier keine alten Straßenzüge. Alles ist grau in grau. Für Elfen muss das befremdlich sein
.
»Da vorne ist der Eingang zur U-Bahn-Station«, sagte Nadja erleichtert. Der erste Schritt war geschafft. Jetzt mussten sie nur einen Plan finden, der ihnen verriet, wo genau das Zentrum von Tokio war. Vielleicht fanden sie in der Station sogar jemanden, der sich auskannte und ein wenig Englisch sprach.
Staunend betrachtete Nadja die Menschenmassen, die sich in die Station schoben. Anscheinend war gerade Hauptverkehrszeit. Die Menschen wollten zur Arbeit. Sie ließ Naburo vorgehen, der ihnen nach einem kurzen Zögern die Schranke am Eingang öffnete. Während sie zu der langen Rolltreppe gingen, suchte Nadja nach einem Schild für eine Information oder etwas Vergleichbarem, konnte aber keines entdecken.
»Passt mit den Rolltreppen auf«, riet sie den Elfen. »Am besten macht ihr einen beherzten Schritt darauf und bleibt stehen.«
Kush befolgte ihre Worte sofort, machte allerdings keinen Schritt, sondern einen weiten, wilden Satz. Mit einem lauten Kreischen stolperte Chiyo – die ihn noch immer an der hellgrünen Stoffleine hielt – hinter ihm her. Beide verschwanden mit einem lauten Gepolter und Getöse auf der Rolltreppe.
»Chiyo! Kush!«, rief Nadja besorgt.
Die Japaner auf der Rolltreppe drückten sich ängstlich an die Seite, doch Chiyo und Kush schafften es trotzdem, zwei Menschen mit sich zu reißen und für ein heilloses Durcheinander zu sorgen.
Sie sind noch schlimmer als Pirx! Und der ist ein Pixie und will Streiche spielen!
Rufe und besorgtes Gemurmel wurden laut. Ein sportlich aussehender Japaner in einem eng anliegenden Anzug packte Chiyo und verhinderte ihren Sturz. Auch den beiden Menschen wurde geholfen. Kush dagegen schaffte es, die Rolltreppe an den stehenden Japanern vorbei bis auf den steinernen Boden hinunterzupurzeln. Naburo hechtete hinter ihm her.
»Kush!«, rief er dabei laut. Er versicherte sich kurz, dass es Chiyo gut ging, und stürzte weiter zu dem Shishi. Die Rolltreppe schien ihm keinerlei Probleme zu bereiten. Elegant schwang er sich an Menschen vorbei, die leise murmelnd auf die beiden Schwerter an seinem Rücken wiesen.
Eine Menschentraube hatte sich gebildet und starrte den Shishi an, der auf dem Bauch lag und alle viere von sich streckte.
Besorgt
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