Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
sich erstaunt um. »Voll? Die Rushhour ist längst vorbei. Du solltest mal eine Stunde früher hier sein.«
»Lieber nicht.« Nadja dachte, in Paris schon einiges erlebt zu haben, aber diese Stadt war unschlagbar, was die Menschenmassen in den öffentlichen Verkehrsmitteln betraf.
»Vielleicht ist es am einfachsten, ihr fahrt die eine Station nach Shinjuku. Lange müsst ihr nicht warten. Mehrere Linien fahren dorthin. Es ist der größte Bahnhof der Welt, was das Menschenaufkommen betrifft. Angeblich gab es dort pro Tag bereits vier Millionen Fahrgäste.«
»Auch das noch«, murmelte Nadja schwach.
Torio und die Elfen kamen zu ihr herüber. Torio beugte sich vertraulich zu Lena. »Hey, ich bin ein Rockstar.«
Lenas Lippen verzogen sich leicht. »Nett. Meine Firma stellt Autoteile her. Mein Name ist Lena. Hast du auch einen?«
Torio sah sie verblüfft an. Er hatte offensichtlich mit mehr Demut oder Begeisterung gerechnet. »Torio.« Er lächelte einnehmend. »Und du kennst ein nettes Hotel in der Gegend?«
Lena sah verwirrt aus. »Wieso? Wollt ihr euer Hotel wechseln?«
»Wir haben es nur für eine Nacht.« Die Lüge ging Nadja leicht von der Zunge. »Wir brauchen ein neues Hotel, in dem auch Hunde erlaubt sind.« Sie wies auf Kush. »Außerdem wäre es großartig, wenn ein Internetcafé in der Nähe wäre.« Schließlich musste sie mit den Recherchen über Cagliostros Aufenthalt beginnen.
»In Shinjuku gibt es viele Manga-Cafés mit Internetnutzung. Kein Problem. Sucht ihr eher etwas Europäisches oder was Traditionelles?« Sie musterte die bleichen Elfen. »Echt, mir würde es zu schaffen machen, den ganzen Tag geschminkt und mit künstlichen Ohren herumzulaufen. Macht ihr Kabuki?«
»Kabuki?«, fragte Chiyo interessiert. Sie streckte ihre Finger nach dem modernen Herzanhänger an Lenas Kette aus, bis Nadja sie böse ansah. Langsam zog die Elfe ihre Hand zurück.
Lena schien die Geste nicht bemerkt zu haben. »Kabuki ist traditionelles japanisches Theater mit Tanz und Gesang. Ich dachte, wegen der weißen Schminke ...« Sie stockte. »Aber als Schauspieler müsst ihr doch Kabuki kennen! Seid ihr nicht von hier? Und überhaupt: Seid ihr nun Sänger oder Schauspieler?«
»Beides«, entgegnete Torio unverfroren. »Und außerdem sind wir nicht von dieser Welt. Sag, könntest du uns nicht begleiten und gemeinsam mit uns ein hübsches Hotel aussuchen?«
Nadja spürte ein Kribbeln auf ihrem Unterarm. Es war offensichtlich, dass Torio Elfenzauber wirkte. Sie sah ihn warnend an, doch der arrogante Kerl ignorierte sie.
Schnell wurden Lenas Gesichtszüge weich. »Sicher. Für ein paar Minuten kann mein Chef auch mal auf mich verzichten. Ich kenne da ein Hotel, das genau nach eurem Geschmack sein müsste. Kommt mit!« Sie führte die Gruppe durch die Menschenmassen, eine weitere Rolltreppe hinunter und zwei lange Gänge entlang.
»Torio!«, zischte Nadja. »Ich finde es nicht richtig, sie zu verzaubern!«
Torio sah verwundert aus. »Aber du wolltest doch so schnell wie möglich ein Hotel finden, oder?«
»Schon, aber du kannst nicht einfach herumlaufen und Menschen deinen Willen aufzwingen!«
»Warum nicht? Immerhin habe ich die Gabe dazu.«
Nadja seufzte und kniff die Lippen zusammen. Torio war ein Elf, er würde ihre Argumentation ohnehin nicht verstehen. Unbehaglich sah sie vor sich, wo Lena angeregt mit Chiyo plauderte. Die beiden schienen sich auf Anhieb zu verstehen. Die Deutsche hatte sich bei der Elfe eingehängt und bewunderte in höchsten Tönen das teure Gewand und die hohe Qualität der vermeintlich künstlichen Edelsteine.
Sie stiegen in Shinjuku aus und wurden mit der Masse durch die Gänge geschoben. Nadja bemerkte einige Japaner, die weiße Stoffmasken vor dem Gesicht trugen.
Entweder haben sie Angst vor Krankheiten, oder sie sind selbst krank und wollen niemanden anstecken
. Wie sie gehört hatte, benutzten die Menschen in Tokio diese Masken aus Höflichkeit auch bei einer Erkältung.
Lena grinste. »Habt ihr Lust, einkaufen zu gehen? Über uns liegt eines der größten Kaufhäuser der Welt!«
»Über uns?«, hakte Nadja erstaunt nach.
Ihre Führerin nickte amüsiert. »In Japan werden viele Dinge doppelt genutzt. Auf der Einkaufszeile von Shinjuku gibt es immer wieder mehrere Geschäfte in einem Hochhaus. Das ist hier normal.«
Endlich erreichten sie einen der zahlreichen Ausgänge.
Ohne Lenas Hilfe hätten wir uns hier vollkommen verirrt
, dachte Nadja.
Das Gelände ist riesig! Wie
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