Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
den Fußsohlen, die die schmutzige Erde berührten, auf niemanden wies. In der Elfenwelt war es wohl einfach eine, die zusätzliche Konzentration verschaffen sollte. Nadja fand sie schon nach wenigen Minuten unbequem.
In der Mitte der Gefährten lag der ausgebreitete Stadtplan von Tokio. Nadja entdeckte den Garten, in dem sie angekommen waren, und einige weitere markante Orte und Sehenswürdigkeiten, wie den Tokio-Tower, den Kaiserpalast und das naturwissenschaftliche Museum.
Während Torio mit ausgestreckten Armen über der Karte hinweg ihr Handgelenk mit dem Cairdeas ergriff, hielt Naburo die Kette in der Hand, die die Tenna ihm beim Aufbruch gegeben hatte.
»Konzentriere dich ganz auf David«, ordnete Naburo an. »Kümmere dich nicht um uns. Der Uragirmon und ich werden versuchen, eine Spur von David oder von anderen Elfen zu finden. Chiyo und Kush stärken uns dabei mit ihrer Kraft. Du aber, Nadja, musst ganz in deinen Gedanken an David aufgehen.«
Nadja strengte sich an. Es fiel ihr nicht schwer, an David zu denken. Kühl spürte sie das Cairdeas auf ihrer Haut und stellte sich den Geliebten in allen Einzelheiten vor.
David, ich will dich endlich wieder in die Arme schließen können
. Sie verlor sich in Gedanken an sich und ihn. An zärtliche Berührungen, vorsichtige Küsse, die schnell fordernd wurden.
Mit geschlossenen Augen spürte sie den leichten Lufthauch, den das kreiselnde Pendel verursachte. Sie blinzelte. Naburo flüsterte leise Worte in einer alten Sprache, die Nadja nicht verstand, obwohl sie versuchte, ihren Sinn zu ergründen. Das Pendel kreiste über ihren und Torios Händen. Sie spürte eine angenehme Wärme von Torio auf sich übergehen, fast so, als würde er ihr Lebenskraft abgeben.
Als sie sich erneut auf ihre Erinnerung an David konzentrierte, stieg sein Bild sofort in ihr auf.
Eine Weile verharrten sie. Der Shishi hechelte leise. Dann spürte Nadja, wie die Wärme ihrer Hände zusehends unangenehmer wurde. Die Haut erhitzte sich schnell.
»Torio!«, brachte sie erstickt hervor und versuchte, ihre Hände fortzuziehen, doch der Elf hielt sie fest. In dem Moment spürte sie das Cairdeas. Es schien einen eigenen Willen zu haben, lehnte sich gegen Torio auf. Es roch verbrannt, als der Elf mit einem Aufschrei seine Hände zurückzog. Unter ihnen riss ein magischer Wind an der Karte und zerfetzte sie. Nadja glaubte den Ruf eines Falken zu hören. Schreckerstarrt sah sie in Naburos Züge. Er sah aus wie eine gealterte Version von Torio. Seine sonst vertrauenerweckenden Augen blitzen hart auf. Sie hatten sich silbern verfärbt und glänzten wie Stahl.
Naburo sprang in die Höhe. Auch Torio kam auf die Beine. Ängstlich drückte sich der Shishi an Chiyos Rücken.
»Das ist nur deinetwegen geschehen!«, herrschte Naburo seinen jüngeren Bruder an und wies auf die Karte, die in vier Teile zerrissen war.
»Du kannst mir nicht an allem die Schuld geben, verflucht!« Torios Augen verfärbten sich sturmfarben. Das Rotbraun trat zurück.
»Jetzt ist es so weit«, flüsterte Chiyo. »Jetzt bringen sie sich um.«
Nadja atmete tief durch und stand ebenfalls auf. Obwohl sie die Spannung zwischen Naburo und Torio körperlich spürte, trat sie einen Schritt nach vorne.
»Nicht!«, schrie Chiyo.
Nadja stand im Spannungsfeld zwischen den Brüdern. Sie spürte die Wut und den Hass zwischen ihnen, aber auch eine tiefe Verzweiflung, eine Sehnsucht nach ... Nach was genau? Vergebung? Versöhnung? »Was ist passiert?«, fragte sie und sah beide nacheinander an.
Naburo wandte sich ab. Sofort stellte sich seine Larve wieder her, und er war wieder der Krieger, den Nadja kannte. Auch Torios Augen bekamen ihre alte Farbe zurück.
Naburo schaffte es erst nach einigen Sekunden, Nadja zu antworten. »Unser Band war nicht ausreichend. Wir haben etwas gespürt, aber ... Da war eine Barriere ... Etwas hinderte uns.« Er kniete sich nieder und betrachtete die zerrissene Karte. Vorsichtig legte er die vier Teile aneinander.
Das Cairdeas hatte eine längliche Brandblase auf Naburos Hand hinterlassen, die bereits verblasste.
»Schaut euch das an«, sagte er nachdenklich. Alle starrten auf die Karte. Die Hitze hatte auch dort gewütet.
Ob David mich durch das Band vor einer Verbrennung bewahrt hat?
Nadja sah auf ihre Finger. Sie waren leicht gerötet, mehr nicht.
Die Karte war kaum wiederzuerkennen. Die Stadtteile Otsuka, Kohinta und Suido waren wie ausgelöscht. Durch andere Stadtteile verliefen dunkle
Weitere Kostenlose Bücher