Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
Haare. Sie kaufte noch mehr Unterwäsche sowie zwei weitere Blusen und musste schlucken, als es ans Bezahlen ging, aber sie wollte zu ihrem vermeintlichen Interview nicht in zerknitterten Kleidern erscheinen.
Leider hatte der Shishi nicht an Ort und Stelle gewartet. Nadja brauchte zum Glück nicht lange, ihn wiederzufinden. Er steckte halb in einer nahe gelegenen Mülltonne und untersuchte sie nach brauchbarer Nahrung. Seine Nase war lange nicht so wählerisch wie seine Ohren. Mehrere Menschen – darunter drei Kinder in Schuluniformen – standen bereits um die Mülltonne herum und zeigten lachend auf ihn. So, wie es aussah, hatte sich sein Seidenhalsband irgendwo in der Mülltonne verhakt. Der Shishi knurrte dumpf. Nadja zog und schüttelte an seinem Faltenfell, bis er endlich hervorkam. Nach einer kurzen Strafpredigt machten sie sich auf den Rückweg.
»Du tust Torio und Naburo irgendwie gut«, sagte das faltige braune Hundewesen mit dem Löwenschwanz und sah zu Nadja auf. »Ich meine ... sonst streiten die beiden viel mehr.«
»Sie arbeiten zusammen, das ist alles.«
Der Shishi schüttelte den Kopf, dass die Ohren schlackerten. Eine Prise Geifer erwischte Nadja am Bein. »Nein, nein, etwas ändert sich. Seit dem Krieg waren sie nie so wie jetzt. Du hast einen guten Einfluss auf Torio.«
Nadja konnte ihre Neugier nicht unterdrücken. »Was ist damals eigentlich geschehen?«
Traurig schüttelte ihr vierbeiniger Begleiter den Kopf. »Darf nicht drüber reden. Magie von der Tenna. Nicht mal Chiyo könnte es dir sagen, weil sie später geboren ist, nach dem Krieg. Da musst du schon Naburo oder Torio fragen.«
Nadja musste gestehen, dass ihre Neugier anstieg, je länger sie die Elfen kannte. Selbst Torio hatte sie in gewisser Weise in ihr Herz geschlossen. Zwar war er ein typischer Elf, der scheinbar jedes Klischee bedienen musste, aber er war im Grunde seines Herzens gut und bemühte sich auf seine Art, David und Rian zu finden.
»Ja, vielleicht mache ich das wirklich.« Nadja spürte, wie die Plastikgriffe der Tüten in ihre Hände schnitten. »Aber heute kümmere ich mich erst einmal um dieses Interview.«
In Tokio war es kein Problem, sich innerhalb weniger Stunden einen Presseausweis zu gestalten, und Nadja präsentierte ihre Fälschung dem düster aussehenden Mann hinter der Glaswand der Kasse. Sie bat ihn nachzufragen, ob einer deutschen Reporterin nach der Vorstellung ein Interview mit dem Besitzer des Theaters möglich wäre. Hinter ihr standen die ungeduldigen Fans an – Torio, Chiyo und Mashiko waren auch in der Menge. Die Elfen wollten den Rest der Aufführung sehen und Nadja dann darüber berichten. Kush hatten sie in Mashikos Wohnung gelassen. Nach dem Angriff auf ihn war es besser, ihn außer Sicht zu halten.
Einen Moment blickte Nadja besorgt zu Mashiko – die junge Frau wirkte erschreckend willenlos. So strahlend sie Nadja am vorletzten Abend in ihrem ungewöhnlichen Outfit in der Diskothek erschienen war, umso blasser wirkte die Japanerin im Theater, trotz des farbenfrohen Kleides aus rotem Tüll und der glamourösen Steckfrisur mit den eingearbeiteten hellroten Blütensteckern.
Ihr Gesicht sieht seelenlos aus
, dachte Nadja unbehaglich.
»Bitte, gehen Sie da rüber und warten Sie an der Seite«, sagte der dunkel gewandete Mann auf Englisch, und Nadja tat brav wie geheißen. Sobald der Ansturm vorbei war, kam sie wieder näher.
»Ich schreibe für eine angesagte deutsch-englische Zeitschrift«, versuchte sie ihr Glück erneut, »die in ihrem Kulturteil das Theater der Welt vorstellt. Es ist eine besondere Auszeichnung, dass wir neben dem Kabuki-Theater speziell dieses Theater als Repräsentant für japanisches Nô ausgesucht haben!«
Der Mann verkaufte noch zwei weitere Karten, dann rief er jemanden zu sich. Nadja erstarrte. Im ersten Moment dachte sie, es sei das Wesen vom letzten Abend. Doch dann erkannte sie, dass es nur ein weiterer japanisch aussehender Mann in einem dunklen Anzug war. Auch ihn umgab eine dunkle Aura wie wallender Nebel. Seine Haare waren schwarz, nicht weiß, und seine Haut war ungewöhnlich hell.
Wie viele von denen gibt es hier? Ist das die Schutztruppe des Theaters?
Sie lächelte entwaffnend und hoffte auf die Macht des Anhängers, der seinen Schutz um sie entfaltete. Auf dem Presseausweis hatte sie natürlich nicht ihren wahren Namen angegeben, und sie trug eine hellblonde Perücke. Zudem hatte ihr Chiyo mit ein wenig Elfenmagie und dem Kristall zu einer
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