Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
Schultern. Er starrte zu Chiyo hinüber, die leidenschaftlich neben zwei jungen Männern tanzte. »Vielleicht solltest du mal tanzen gehen. Elfen macht es nichts aus, aber Menschen.«
Nadja waren seine Andeutungen zu albern. »Wenn du eine Vermutung hast, was hier bedrohlich ist, teile sie mir mit! Aber wenn nicht, halt deinen Mund.«
»Es ist diese Musik«, sagte er mit halb geschlossenen Augen. »Ich glaube, sie nehmen den Menschen damit etwas weg.«
Nadja hörte genauer hin, und auch Naburo lauschte nun angespannt. Tatsächlich. Sie spürte ein Gefühl von Unbehagen, das rasch unangenehmer wurde, je intensiver sie sich auf die Klänge einließ. In dieser Musik lag eine schmerzliche Sehnsucht, ein Reißen, das mit eisernen Klauen an ihr zerrte und versuchte, etwas aus ihr herauszuziehen. Überrascht fasste sie sich an die Brust.
Naburo sah sie besorgt an. »Ich gehe Chiyo holen.«
Ihr schwindelte leicht. Sie versuchte, die Musik auszublenden, doch nachdem sie die Töne erst in sich gelassen hatte, krallten sie sich in ihr fest. »Aber ... all diese Menschen ... Wo ist Mashiko?«
»Die ist mit einem dieser Kerle nach drin verschwunden«, antwortete Torio und nippte an seinem Drink. »Vermutlich erlebt sie gerade die elfischen Wonnen der Lust.«
Nadja musste sich beherrschen, ihm nicht ins Gesicht zu schlagen. »Wann wirst du endlich verstehen, dass es die Frauen
nicht
glücklich macht, ausgenutzt zu werden? Ihr bezirzt sie mit eurem Zauber und lasst sie dann in Elend und Unglück zurück!«
»Oni-Krieger machen noch ganz andere Sachen«, merkte er teilnahmslos an.
Nadja war wie vor den Kopf geschlagen. Wie hatte sie Torio vertrauen können? Diesem kaltherzigen Eisklotz? Bisher hatte sie angenommen, dass in ihm etwas Gutes steckte. Doch seine Gleichgültigkeit Mashiko gegenüber – die er schließlich verführt und verzaubert hatte! – ließ sie an ihrer Elfenkenntnis zweifeln.
Wütend drehte sie sich um und ging in die Richtung des Eingangs.
Torio folgte ihr. »Wo willst du hin?«
»Nach Mashiko sehen!«
»Das bringt doch nur Ärger. Wir sind hier in Feindesland. Da muss man ein paar Regeln beachten.«
Nadja fuhr herum. »Erzähl du mir nichts über Regeln!«, fauchte sie den Elfen an. »Du hast so wenig Moral, wie Eis in der Wüste liegt!«
Sie eilte weiter. Shun hatte ihr gezeigt, wo mehrere private Zimmer lagen. Schwungvoll riss sie die erste Tür auf.
»Mashiko?« Sie blickte auf zwei der Chorsänger, die von vier Mädchen umringt waren. »Ich suche Mashiko!« Die Mädchen hatten glasige Augen. Nadja schauderte.
Sie sehen so schrecklich entseelt aus
.
»Mashiko is’ nich’ hier«, murmelte eines der Mädchen auf Englisch. »Und jetzt verpiss dich.«
Als sie die Tür wieder schloss, fühlte sie sich schrecklich schuldig. Dabei konnte sie nichts für das Treiben der Oni-Krieger auf dieser Jacht. War es wirklich die Seele, die sie den Menschen entrissen? Oder nur ihre Kraft? Wovon genau ernährten sich diese dunklen Wesen?
Torio hatte sie eingeholt. »Dritte Tür links«, sagte er beschwichtigend. »Aber es wird sie schon nicht umbrin...«
Nadja schob ihn von sich. Dieser elende Elf! Er würde nie begreifen, was den Mädchen wirklich angetan wurde, auch wenn es so aussah, als ließen sie das alles freiwillig über sich ergehen! Abermals musste Nadja an Paris denken. An die ganzen Kranken, die in ein Koma gefallen waren. Was nun geschah, war nicht genauso vernichtend, aber abgrundtief böse. Nadja spürte es mit jeder Faser ihres Körpers. Der Verfall mochte langsamer vonstattengehen, das Ergebnis dagegen konnte durchaus dasselbe sein.
Sie riss die Tür auf, die Torio ihr genannt hatte. Mashiko und ein weiteres Mädchen, das Nadja nicht kannte, sahen mit glasigen Augen zu ihr auf. Sie lagen auf einem breiten Doppelbett mit hellgrünem Seidenlaken und hatten kaum mehr etwas an. Mashiko trug rote Spitzenunterwäsche, das Mädchen neben ihr nur noch einen schwarzen Tanga. Bei ihnen befand sich der Anführer der zwölf. Das Wesen mit den weißen Haaren lächelte Nadja an.
Die junge Frau prallte zurück. Sie ballte die Hände und nahm ihren Mut zusammen. »Mashiko, wir gehen jetzt!«
Ihre Gastgeberin wirkte bleich wie ein Vampir. »Gehen? Sind wir nicht mitten auf dem Meer?«
»Wie legen bald wieder an«, sagte Nadja auf gut Glück. Sie hatte keine Ahnung, wie lange dieser Ausflug geplant war.
Das Wesen, das sich Ryo nannte, grinste hämisch. »Warum schon gehen? Wie wäre es, wenn du einfach
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