Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
Sie nicht, wie bereits gesagt, einen italienischen Magier engagiert?«, fragte Tom. »Und haben Sie es bisher bereut?«
»Dieser Italiener ist etwas ganz Besonderes.«
»Genau wie meine Schauspielerin!«, behauptete Tom selbstsicher. »Sonst würde sie nicht in einer venezianischen Maske in Ihrem Büro stehen. Geben Sie ihr eine Chance, und sie wird Sie überzeugen!«
Amüsiert zog Tenji die Schultern nach oben und grinste schief. »Nun ... was habe ich zu verlieren außer ein paar Minuten meiner Zeit? Folgen Sie mir bitte auf die Bühne.«
Mit steifen Schritten ging Nadja hinter den beiden Männern her. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Vorsprechtermin sofort sein würde. Die Elfenmaske auf ihrer Haut fühlte sich warm und lebendig an. Fabio hätte es sicher nicht gefallen, dass sie dieses Ding wieder trug. Wieder und wieder hatte ihr Vater sie vor ihm gewarnt. Doch es war der einzige Weg.
Tom erhielt die Leine zurück, und der Shishi tapste gutmütig mit ihnen mit. Tenji führte sie durch einen langen, mit roten Teppichen ausgelegten Gang zum Bereich hinter der Bühne. Nadja blickte auf jede Tür, blickte nach links und rechts, sah aber keine magische Spur von David und Rian.
Als sie die Bühne von hinten betrat, veränderte sich etwas. Sie spürte, wie ihre Maske vor Freude zu summen schien. Eine unglaubliche Kraft durchflutete sie.
Das muss an der Ley-Linie liegen, die unter uns verläuft
. Es gab eine Macht zu ihren Füßen, die Besitz von ihr zu ergreifen schien.
Nadja blieb stehen und konzentrierte sich. Unter ihr musste eine Schnittstelle zwischen den Reichen liegen. Plötzlich öffnete die Maske den Raum vor ihr, und Nadja blickte auf die hohen, nebelverhüllten Berge von Bóya. Einer dieser Berge erhob sich schneebedeckt im Hintergrund. Er hatte große Ähnlichkeit mit dem Fujiyama.
Bitte, Geist in der Maske. Hilf mir!
Konnte er sie verstehen? War er nicht längst zu gedankenloser Magie geworden, die einfach nur reagierte? Sie sah den Schatten um Tenji herum deutlicher, einen feinen schwarzen Kokon. Etwas verbarg der gut aussehende Mann. War es sein wahres Äußeres? Sah er in Wahrheit ebenso abstoßend aus wie Ryo?
»Bitte«, sagte Tenji einladend.
Nadja überließ sich der Macht ihrer Maske und wurde nach vorne gezogen, ganz an den Rand der Bühne. Dort verneigte sie sich vor dem leeren Zuschauerraum mit seinen roten Sitzen, den Giebeldächern über den Tribünen und den eingearbeiteten Drachenelementen, die sich überall wiederholten.
Langsam hob sie die Hand und ließ sie wieder sinken, ganz so, wie sie es während der Vorstellung beobachtet hatte. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen – eine Geste für das Weinen. Dann drehte sie sich zu Tenji und Tom um und kam auf die beiden Männer zugelaufen. Sie spürte, dass sie sich so schwebend bewegte wie in der Elfenwelt. Ihr Mund öffnete sich, und sie sagte einige Worte in altem Japanisch, die sie zuvor mit Tom eingeübt hatte. Es war ein Zitat von Zeami Motokiyo, dem Begründer des Nô-Theaters. »Es genügt nicht, das Geheimnis zu offenbaren; man darf die anderen gar nicht ahnen lassen, dass man ein Geheimnis hat.«
Nadjas Stimme wirkte magisch verstärkt und kam ihr fremd vor – wie etwas, das nicht zu ihr gehörte. Es war ein geheimnisvolles Instrument, das nur für Tenji spielte.
Dieser senkte den Kopf und lauschte.
Die Maske hilft mir. Sie verrät mich nicht
.
»Also gut«, sagte der Japaner nach einer Pause. Tom sah ihn erwartungsvoll an. »Sie bekommen eine Chance. Ich werde Ihnen ein Textbuch geben mit einem kurzen Text in Japanisch und Englisch. Dabei steht auch der Bühnenablauf. Es ist nur ein kleiner Geisterauftritt. Sie kommen auf die Bühne, treten mir entgegen, sagen Ihren Text auf und gehen wieder. Wenn Sie das schaffen, werde ich mir überlegen, Sie dauerhaft einzustellen.«
»Wir brauchen einen Raum, in dem wir uns vorbereiten können«, forderte Tom sofort.
Tenji nickte. »Den bekommen Sie. In diesem Theater gibt es genug Platz.« Er wies zum Bühnenausgang. »Allerdings mache ich nicht gerne Geschäfte mit Personen hinter Masken, die nur ihren Künstlernamen preisgeben.« Sein Blick bohrte sich in Nadjas. »Geben Sie mir heute Abend die Ehre, mit mir zu Abend zu essen? In einem Restaurant meiner Wahl? Dort können wir alles besprechen. Es gibt noch einiges zu klären, besonders was den geschäftlichen Teil betrifft.«
»Sicher«, antwortete Nadja leichthin auf Englisch mit italienischem Akzent. Sie hätte
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