Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
Er berührte flüchtig ihre Wange.
Nadja wurde heiß und kalt im Gesicht. »Kommen Sie bitte, die Limousine wartet auf uns.«
Wie in einem Albtraum ging Nadja neben ihm her. Sie wollte zurück zu den Elfen, um das weitere Vorgehen zu planen! Stattdessen sollte sie mit einem Wesen essen gehen, das halb göttlich war und sicher nichts Gutes im Schilde führte.
Tenji war ausgesucht höflich und charmant. Er öffnete Nadja die hintere Tür und schloss sie behutsam, ehe er selbst auf der anderen Seite zustieg. Nadja erkannte, dass der Fahrer kein anderer war als Ryo. Ausgerechnet. Ihr fröstelte.
»Erzählen Sie etwas über sich und Ihre Arbeit«, bat Tenji unschuldig wie ein Lamm. »Wie ist es so, als Schauspielerin zu leben?«
Nadja beschloss mitzuspielen. Sie hatte keine Wahl und konnte nur hoffen, dass Tenji sie unversehrt zum Theater zurückbrachte.
Wenn er mich irgendwo in die Berge verschleppt, kann ich ihn jetzt ohnehin nicht mehr aufhalten
. Sie wünschte sich nur, die Elfen würden ihr folgen. Sie waren in diesem gottverdammten Theater gefangen.
Aber sie haben im Notfall die Steine und können fliehen
.
Langsam entspannte sie sich ein wenig. »Nun, Tenji ... Sie sind doch selbst Schauspieler. Sie kennen das Gefühl, da oben im Scheinwerferlicht zu stehen, wenn die Schminke in kleinen Bächen das Gesicht hinunterläuft und die Menge einem zujubelt. Man ist verschwitzt, aber glücklich. Der Moment des Applauses entschädigt für alles: nervende Kollegen, die ganzen Intrigen und Liebesgeschichten hinter der Bühne ...« Nadja lachte auf. Zum Glück hatte sie genügend Schauspieler interviewt, um sich mit der Materie auszukennen. Die letzte war Judi Dench gewesen. »Schauspieler sind Menschen, die sehr emotional sind, und einige können ganz ausgesucht schwierig sein. Wir hatten mal eine Schauspielerin in einer Produktion – damals war ich noch Anfängerin –, die nicht weiterarbeiten konnte, wenn sie nicht in der richtigen Stimmung war. Ständig unterbrach sie die Proben. Das gesamte Ensemble hat sie dafür gehasst.«
Nadja redete sich warm, und auch Tenji begann, mehr und mehr aus sich herauszugehen. Sie sprachen über Belanglosigkeiten, vermeintliche Erfahrungen, die weder sie noch wahrscheinlich er gemacht hatten. Nadja lehnte sich in dem weichen Sitz zurück.
Ich werde das hier überstehen. Ganz sicher
.
Nur wenige Kilometer vom Hafen entfernt kamen sie an einen Hochhausturm. Am Eingang stand ein weiß livrierter Bediensteter, der sich vor Tenji und ihr verneigte und die goldene Drehtür für sie anschob.
Das Haus, in das sie eintraten, war von ausgesuchter Pracht. Geschwärztes Glas hing an der Decke und spiegelte matt die Lichter der Deckenleuchter. Die Wände waren mit goldweißer Tapete bespannt, die edel und teuer wirkte. Marmorfliesen lagen auf dem Boden.
»Ein sehr eindrucksvolles Gebäude«, befand Nadja, während sie gemeinsam zum mit Gold eingefassten Fahrstuhl liefen. Sicherlich war es kein echtes Gold, doch es sah täuschend echt aus.
»Es gehört mir«, sagte Tenji schlicht. »Meine Familie hat es vor Jahren erbauen lassen.«
»Eine sehr reiche Familie.« Nadja musste an den Gott Susanoo denken und erschauderte.
Tenji lächelte entwaffnend. »Und doch sind Reichtum und Ruhm nichts, was man genießen kann, wenn man allein ist. Ich muss sagen, es freut mich außerordentlich, dass Sie sich an meinem Theater beworben haben, Arina. Ich darf doch Arina sagen, oder?«
»Sicher, Tenji.« Nadja trat neben ihm aus dem Aufzug und blieb kurz stehen. Sie hatten den obersten Stock erreicht. Das gesamte Stockwerk war in ein riesiges prunkvolles Restaurant mit ansprechender Bar verwandelt worden. Der Ausblick auf die Bucht von Tokio war überwältigend.
Innerhalb des Restaurants trennten dünne Papierparavents die Bereiche der Gäste ab. Jeder Paravent war handbemalt und mit filigranen japanischen Blütenzeichnungen in Rot, Schwarz und Gold versehen. Wie unten im Flur hingen auch hier an der Decke aus geschwärztem Glas kristallene Leuchter. Die Sitzgruppen bestanden aus Podesten, auf denen schwarz lackierte traditionelle Tische standen, die ebenfalls handbemalt waren. Auf weichen Kissen saß man am Boden, während geschäftige Kellnerinnen in dunkelblauen Kimonos mit hochgesteckten schwarzen Haaren Getränke und Speisen servierten.
Tenji führte Nadja an den größten und prunkvollsten Platz mit der besten Aussicht über die Bucht und einen Teil der Stadt.
»Mein Lieblingsplatz«, sagte er
Weitere Kostenlose Bücher