Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
entfernte sich mit einem brummenden Geräusch nach oben und ließ Nadja in nahezu vollständiger Dunkelheit zurück.
»Tenji!« Leise fluchte sie vor sich hin. An der Wand drückte sie auf den grün schimmernden Knopf für den Fahrstuhl. Nichts geschah. Vorsichtig sah Nadja sich um. Sie stand in einem schmalen Raum, der in krassem Gegensatz zu dem Luxus über ihrem Kopf stand. Im Grunde unterschied ihn kaum etwas von den Fahrradkellern oder Wäscheräumen deutscher Hochhäuser. Alles war grau in grau, unverputzt und wirkte seltsam verlassen im schwachen Licht des Notbeleuchtungszeichens über dem Fahrstuhl.
»Ich werde einfach hier warten. Irgendwann kommt dieser elende Aufzug schon wieder.«
Nadja wühlte in ihrer Handtasche und zog ihr Handy heraus. Wie sie erwartet hatte, hatte sie keinen Empfang. Sie schimpfte auf Italienisch, und der Klang ihrer Worte beruhigte sie ein wenig.
Okay, ich habe mich mit dem Aufzug ein Stockwerk verfahren. Kein Grund zur Panik! Ich werde einfach hier stehen bleiben und nicht den Fehler machen, aus diesem Raum hinauszugehen, um mich in irgendeinem unterirdischen Labyrinth zu verirren
.
»Nadja?«
Die Stimme klang weit fort und gequält.
»David!«
Nadja hielt den Atem an. Adrenalin durchflutete sie. Sie spürte, wie der Anhänger an ihrem Hals warm wurde.
Eine Falle, Nadja. Nur eine Falle. David kann nicht hier sein! Er ist im Theater!
Aber wusste sie das auch sicher? Vielleicht hatte Karkino David hierher bringen lassen, um irgendein grausames Spiel mit ihr zu treiben.
»Nadja!« Es klang flehend. Es klang wie David. Nadjas Magen krampfte sich zu einem Klumpen aus Eis zusammen. Obwohl alles in ihr schrie und sie warnte, trat sie einen Schritt in die Richtung, aus der seine Stimme gekommen war.
Torio, Chiyo und Naburo saßen in dem kleinen Raum, den man Naburo und Torio im Theater zur Verfügung gestellt hatte. Wie die anderen weiblichen Angestellten hatte Chiyo ihr eigenes Zimmer.
Naburo und Torio hatten wieder einen Zauber gewirkt, der sie vor der Überwachung der feindlichen Elfen schützte. Dieses Mal war es eine blau schimmernde Schutzkuppel, die irisierend über ihnen stand.
»Es ist nicht zum Aushalten!« Chiyo stöhnte auf. »Nadja ist schon viel zu lange weg!«
»Sie wird wiederkommen. Karkino ahnt nicht, dass wir Spione der Tenna sind, sonst hätte er uns schon längst getötet.«
Eine Weile schwiegen sie. Chiyo setzte sich erschöpft auf eines der beiden schmalen Betten. »Es ist zu dumm, dass wir Nadja nicht folgen können.«
»Ich finde ganz andere Dinge dumm«, meldete sich Torio zu Wort. Er war in den vergangenen Stunden sehr schweigsam gewesen. In ihm gärte die Wut, fraß ihn von innen her auf.
»Was denn zum Beispiel?« Chiyo sah ihn neugierig an und fächelte sich nervös mit ihrem Fächer Luft zu.
Der Elf richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Sein Schatten wurde sogar noch größer. »Zum Beispiel eure Idee mit Amaterasus Erweckung und die Verlogenheit meines Bruders.«
»Du wagst es, Uragirmon?«, fragte Naburo zornig. »Du nennst mich einen Lügner?«
»Weil du einer bist!«, schleuderte Torio ihm entgegen. Er konnte seinen Zorn nicht länger zurückhalten. Naburo war in den letzten Tagen oft fortgegangen, um allein über den Elfenkanal mit der Tenna zu reden oder sich mit den Spionen Bóyas zu unterhalten. Mit den Raben. Und sein Bruder hatte kein bisschen überrascht gewirkt, als Kush den Namen ihres Feindes verkündet hatte. »Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass die Tenna und du
wussten
, wer hier sein Unwesen treibt! Vermutlich weiß sie es schon seit dem letzten Krieg, und weil unsere allmächtige Tenna zu feige ist zu handeln und sich ihre hübschen weißen Porzellanhände nicht schmutzig machen will, schickt sie Nadja und uns für sich in den Kampf!«
»Meine Mutter würde mich nie in Gefahr bringen«, sagte Chiyo überzeugt. »Ich bin ihr einziges Kind.«
»Du bist nur ein ersetzliches Werkzeug.« Torio spuckte aus. »Sobald du tot bist und nicht aus dem Reich Jigoku zurückkehrst, wird sie ein neues Kind bekommen. Vielleicht sehnt sie sich sogar nach einer neuen Schwangerschaft.«
»Uragirmon!«, herrschte Naburo ihn an. »Wie kannst du es wagen, so mit der Prinzessin zu sprechen?«
Chiyo war blass geworden, doch sie schüttelte energisch den Kopf. »Lass ihn, Naburo. Er hat recht. Er ist nicht wie all die Hofschranzen meiner Mutter, die mich verhätscheln und belügen. Tief in mir spüre ich,
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