Rage Zorn
zu seinem Auto zurückgeschlichen und wieder nach Austin gefahren. Dort hatte er einen Nachbarn angerufen, der zu den vertrauenswürdigsten unter Lancys wenig vertrauenswürdigen Bekannten gehörte. Er bestätigte, was Lancy schon vermutet hatte â dass die Polizei seine Wohnung durchwühlt hatte. »Ich hab gesehen, wie sie das Zeug kistenweise rausgetragen haben«, berichtete der Nachbar.
Bestimmt waren die Bänder von Paris Gibsons Sendung in diesen Kisten gewesen. ScheiÃe!
Jetzt fragte er, ohne die Frage seiner Mutter zu beantworten: »Waren die Bullen bei dir?«
»Ein Kerl namens Curtis. Aus Austin.«
»Was hast du ihm erzählt?«
»Nichts«, grummelte sie. »Ich weià nämlich nichts.«
»Hat er den Wohnwagen durchsucht?«
»Er hat ein bisschen rumgeschnüffelt. Und er hat deine Socken gefunden.«
»Hat er sie mitgenommen?«
»Zu was soll er deine schmutzigen Socken mitnehmen?«
»Geh mal zum Fenster und schau nach links die StraÃe runter.«
»Ich bin im Bett«, winselte sie.
»Bitte, Mama. Tu mir den Gefallen. Schau nach, ob unten auf der StraÃe ein dunkles Auto steht.«
Sie meckerte und fluchte, aber dann klapperte das Telefon, was nur heiÃen konnte, dass sie es auf den Nachttisch fallen lieÃ. Es dauerte unendlich lange, bis sie wiederkam. Als sie es tat, pfiff sie wie ein löchriger Dudelsack. »Das steht da.«
»Danke, Mama. Wir sprechen uns später.«
»Pass bloà auf, dass du mich in nix reinziehst, Lancy Ray. Ist das klar, Junge?«
Er hängte den schmierigen Hörer auf die Gabel des Münztelefons zurück. Die Hände tief in die Taschen geschoben, die Schultern hochgezogen, stapfte er die offene Galerie des Motels entlang. Unter dem Schirm seiner Baseballkappe hervor hielt er ständig Ausschau nach möglichen Streifenwagen, die er im Geist jeden Augenblick mit quietschenden Reifen anrasen sah, gefolgt von hektischen Hände-hoch-Schreien.
Nachdem ihm klar geworden war, dass er nicht bei seiner Mutter unterschlüpfen konnte, war er in sein Geheimapartment gefahren, um dort die Nacht zu verbringen. Sicherheitshalber war er erst einmal daran vorbeigefahren. Weder vor dem International House of Pancakes gegenüber noch sonst wo hatte in Sichtweite ein Streifenwagen geparkt.
Er schaffte es unentdeckt in sein Zimmer, aber es war beim besten Willen kein heimeliger Unterschlupf. Es stank. Es war schmutzig. So schmutzig, dass auch er sich schmutzig fühlte.
SchlieÃlich war er die ganze Nacht auf gewesen, und es war eine lange Nacht geworden.
»Diesmal steckst du richtig in der ScheiÃe, und zwar bis Oberkante Unterlippe, Lancy Ray«, murmelte er vor sich hin, während er die Tür aufschloss und in das schmuddelige, schummrige Versteck eines polizeilich gesuchten Mannes huschte.
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Curtis hatte die auf Hochglanz polierten Stiefel an den Knöcheln gekreuzt und auf seinen Schreibtisch gelegt. Sein Blick war konzentriert auf die handgefertigte Spitze des oberen Stiefels gerichtet, als nur zwei Zentimeter neben ihm ein gelber Notizblock auf der Tischplatte landete. Er drehte sich um und sah Paris Gibson hinter seinem Stuhl stehen. Obwohl sie die unvermeidliche Sonnenbrille trug, verriet ihre Haltung, dass sie wütend war.
»Guten Morgen«, wünschte er ihr.
»Sie wollen diesem egomanen Vollidioten also in den Arsch kriechen?«
Er nahm die FüÃe vom Tisch und deutete auf den freien Stuhl davor. Sie ignorierte sein Angebot und blieb stehen. Er sagte: »Dieser Vollidiot ist ein einflussreicher Richter.«
»Der die gesamte Polizei unter seinem Daumen hält.«
»Malloy vom Dienst zu suspendieren war nicht meine Entscheidung. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich das nicht. Er ist ranghöher als ich. Ich war nur der Ãberbringer der Nachricht.«
»Dann lassen Sie es mich so ausdrücken«, sagte sie. »Richter Kemp hat die gesamte schwanzlose Polizei unter seinem Daumen.«
Er überhörte die Beleidigung und kam stattdessen auf das eigentliche Thema zu sprechen. »Der Richter hat seine Beschwerde ganz oben vorgebracht. Als er und Mrs Kemp Sie gestern Abend im Radio von ihrer Tochter reden hörten, ist er explodiert. Hat man mir jedenfalls erzählt. Er rief den Chief zu Hause an, holte ihn aus dem Bett und verlangte, dass Malloy gefeuert werde, weil er öffentlich seine Tochter
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