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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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grellen Gesichter sehen, bewegliche Masken aus Holz und Menschenhaar. Glühende Augen. Gestalten, die ungestüme Tänze vollführten. Eine halb nackte Frau mit wirrem dunklem Haar näherte sich ihm. Ihr Gesicht war von einer vogelartigen Halbmaske verdeckt.
    Die wilde Frau würde ihn verschlingen. Er hatte sie gesehen, bevor der Baum auf seinen Wagen gekracht war. Sie war aus dem Stamm hervorgekommen, hatte auf dem Feuer des Blitzes getanzt.
    Dan Hadlock wehrte sich dagegen aufzutauchen. Er wollte dort bleiben, wo er beschützt wurde, wo es keine Geister gab. Wo er nicht von einer Frau bedrängt wurde, die halb Mensch, halb Tier war. Der Ranger rettete sich zurück in die Bewusstlosigkeit. Hier, im Dunkel des Nichts, war er sicher. Er würde darum kämpfen, für immer hierbleiben zu können.
    Kurz nachdem Bill Lighthouse sich verabschiedet hatte, brach auch Greg auf. Er wollte nach Hause fahren, um ein paar Sachen zu holen und seine Mails zu checken. Gehorsam schob Hanna den Riegel vor, nachdem er das Strandhaus verlassen hatte. Greg hatte ihr von seinem Gespräch mit dem Sheriff erzählt und eingeräumt, dass Flora tatsächlich verrückt zu sein schien und verkleidet als Tsonoqa die Leute erschreckte.
    Hanna kam es so vor, als ob das nicht alles gewesen war, worüber er mit dem Sheriff gesprochen hatte, aber er war so schnell verschwunden gewesen, dass sie nicht dazu gekommen war, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen.
    Sie saß im Sessel und las, als sie plötzlich Schritte auf der Veranda hörte. Erschrocken horchte sie auf und legte das Buch zur Seite. Greg war erst vor wenigen Minuten gefahren und sie hatte auch kein anderes Auto gehört. Mit drei Schritten war sie hinter der Tür.
    Wer schlich da auf der Veranda herum? War das Flora, die Verrückte? Und wenn ja, was wollte sie dann hier? Verhindern, dass Hanna mit zu diesem Potlatch kam? Trachtete ihr Annies Tante vielleicht nach dem Leben, weil sie die Verbindung ihrer Nichte mit Greg Ahousat in Gefahr sah?
    Hannas Herz klopfte bis zum Hals, während sie lauschte und zusah, wie sich die Sonnensplitter, die durch das Fenster fielen, auf dem Holzboden verdunkelten. Jemand spähte in den Raum und sie hielt den Atem an. Gleich darauf funkelte das Sonnenlicht wieder am Boden.
    Plötzlich klopfte es und Hanna stieß einen leisen Schrei aus.
    »Hanna, sind Sie da?«
    Grace.
    War das Mädchen gekommen, weil es ihr etwas beichten wollte? Konnte sie Grace trauen?
    »Hanna, ich muss mit Ihnen reden«, rief es von draußen. »Das hätte ich schon längst tun müssen. Ich weiß, dass Jim nach Neah Bay zurückgekommen ist. Ich habe ihn gesehen.«
    Hanna erwachte aus ihrer Erstarrung. Sie schob den Riegel zurück und zog Grace in die Hütte. Das Mädchen war ganz rot im Gesicht, als ob es gerannt wäre.
    »Setz dich«, sagte Hanna. Sie ging zum Schrank, um ein Glas zu holen. Über das Spülbecken gebeugt stand sie da, brauchte einen Moment, um ihren Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dann ließ sie Wasser ins Glas laufen und brachte es Grace.
    Die junge Indianerin trank gierig. »Danke.«
    »Wann war das, Grace? Wann hast du Jim gesehen?«, fragte Hanna und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Vor viereinhalb Jahren. Es war im Winter.«
    Mit wackligen Knien ließ Hanna sich auf einen Stuhl sinken. Die Erleichterung, die sich bei dieser Offenbarung einstellen sollte, blieb aus. Sie war immer davon überzeugt gewesen, dass Jim nach Neah Bay zurückgekehrt war. Nun hatte sie Gewissheit. Sie war von Anfang an hinters Licht geführt worden. Doch warum hatte man ihr die Wahrheit verschwiegen? Warum?
    »Es war Nacht und Jim stand draußen vor meinem Fenster«, fuhr Grace fort. »Ich habe Granny geweckt, aber als sie mit mir in mein Zimmer kam und aus dem Fenster schaute, war Jim verschwunden. Granny schickte mich zurück ins Bett und behauptete, ich hätte ein Gespenst gesehen.« Grace sah Hanna flehentlich an. »Ich weiß, dass er da war.«
    »Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt?«, fragte Hanna.
    »Keine Ahnung«, sagte Grace. »Vermutlich, weil ich meiner Granny damals geglaubt habe. All die Jahre hielt ich Jims Auftauchen tatsächlich für einen bösen Traum. Aber nun habe ich gestern Abend mit Granny darüber gesprochen und sie sagte, vielleicht war es kein Gespenst, was ich gesehen hätte, sondern ein Geist. Jims Geist.« Grace verstummte und wirkte auf einmal ganz erschöpft.
    Hanna verstand überhaupt nichts mehr. Erst erzählte ihr Grace, sie

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