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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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schnitzen konnte.«
    »Aber wie hat er nur mit all diesen Lügen leben können?«, fragte Hanna, überwältigt von dem, was sie gehört hatte.
    Greg sah sie an. »Er konnte es nicht«, sagte er leise, »das war sein Problem.« Er schwieg einen Moment. »Vielleicht holten die Lügen ihn eines Tages ein, vielleicht konnte er selbst nicht mehr in den Spiegel sehen. Sein einziger Ausweg war die Flucht. Deshalb ging er mit dir nach Deutschland.«
    Hanna spürte, wie sich in ihrem Inneren alles schmerzhaft zusammenzog. Tränen stiegen in ihr auf, doch sie konnte nicht weinen. Was Greg sagte, war die Wahrheit. Vermutlich hatte Jim gehofft, weit fort von allen, die er liebte, seine Schuldgefühle zu verlieren. Nur, dass sich in seinem Schweigen ihr gegenüber, noch mehr Lügen angehäuft hatten.
    »Aber fern der Heimat konnte Jim nicht leben«, sagte Greg und musterte Hanna von der Seite. »Also kehrte er zurück, um reinen Tisch zu machen.«
    »Und wo ist er jetzt?«, fragte Paul.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Greg. »Ich weiß es wirklich nicht.«

20. Kapitel
    Ich weiß es nicht, aber ich habe eine Ahnung. Greg hatte einen Verdacht, der urplötzlich auftauchte und nicht wieder verschwinden wollte. Plötzlich hatte er es eilig.
    »Es ist spät«, sagte er zu Paul, »wir müssen aufbrechen. Ich glaube, wir haben genug erfahren. Vielleicht erwischen wir noch einen Platz auf der letzten Fähre.«
    Jims Bruder nickte gedankenverloren. Er schien das Ganze auch erst einmal verarbeiten zu müssen.
    Greg legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Danke, dass du uns die Wahrheit erzählt hast.«
    Hanna griff in ihre Tasche und holte Olas Foto noch einmal hervor. Sie reichte es Paul. »Auf der Rückseite steht unsere Adresse. Nur für den Fall, dass der alte Mann doch von seiner Enkeltochter erfahren sollte.«
    Paul steckte das Foto ein. »Wie lange bist du noch in den Vereinigten Staaten, Hanna?«
    »Noch zwei Wochen, dann fliege ich zurück.« Hanna reichte Paul die Hand. »Auf Wiedersehen Paul. Ich bin froh, dich kennengelernt zu haben.«
    Greg drängte zum Aufbruch. Er notierte sich Pauls Adresse und die Telefonnummer. »Wir melden uns, wenn es etwas Neues gibt.«
    Greg zog Hanna zum Steg, an dem Eddie Elswas Boot lag. Er spürte Pauls nachdenklichen Blick in seinem Rücken.
    Elswa, der mit seiner Großmutter vor dem Haus gesessen und sie beobachtet hatte, kam zu ihnen und machte das Boot klar. »Hatten Sie Erfolg?«, fragte er.
    »Nicht ganz so, wie wir es uns erhofft hatten«, antwortete Greg. Wir haben nach dem jungen Jim Kachook gesucht – nicht nach seinem Vater.« Sie stiegen ein und Elswa legte ab.
    »Jim Junior ist schon seit ein paar Jahren nicht mehr auf die Insel gekommen«, schrie Elswa, um den Krach des Motors zu übertönen. »Vermutlich hat er einen Ort gefunden, an dem es sich besser leben lässt als hier.«
    Vermutlich? Hoffentlich.
    Greg wollte auf dem schnellsten Wege zurück nach Neah Bay. Er hatte den Verdacht, dass sein Vater ihn – was Hannas Briefe anging – belogen hatte. Er und Jim hatten sich sehr nahegestanden. Und selbst wenn Matthew Ahousat enttäuscht darüber gewesen war, dass sein Ziehsohn einen Wappenpfahl für ein Völkerkundemuseum schnitzte, so hätte er ihm das nach seiner Rückkehr mit Sicherheit verziehen.
    Was er ihm keinesfalls verziehen hätte, war die Tatsache, dass Jim eine weiße Frau heiraten und sich mit ihr in Neah Bay niederlassen wollte. Aber davon hatte sein Vater ja angeblich nichts gewusst. Es sei denn, er hatte die Briefe gelesen.
    Matthew hatte ihn die letzten fünf Jahre glauben lassen, Jim wäre nie zurückgekehrt und würde mit einer weißen Frau in Deutschland leben.
    Aber das stimmte nicht. Jim war zurückgekehrt.
    Oren Hunter hatte seinen Wagen kurz vor dem Parkplatz von Cape Flattery in einen Waldweg gefahren und ihn dort gut getarnt hinter Sträuchern geparkt. Irgendetwas ging hier oben am Kap vor sich und diesmal würde er herausfinden, was es war. In der vergangenen Nacht hatte der Polizeichef wieder einen Traum gehabt und sein linker großer Zeh kribbelte heftiger als je zuvor.
    Hunter hatte sich von seiner Frau Sandwichs mitgeben lassen. Sein Plan war, so lange in seinem Versteck in der Nähe des Geländers auszuharren, bis er denjenigen erwischte, der mutwillig das Eigentum des Stammes zerstörte und damit das Leben von Menschen aufs Spiel setzte. Diesmal würde er ihn kriegen – und wenn es die ganze Nacht dauern sollte.
    Ein zweiter Wagen stand auf dem

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