Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
was du nachher nach Hause trägst und deinem Erbe hinzufügst. Wenn du auf dem Schiff arbeitest, verdienst du einen anständigen Lohn. Davon kannst du dir etwas zurücklegen. Das ist die Gelegenheit für dich, Sedric, und fast jeder andere Junge in der Stadt würde sich die Finger danach lecken.«
Er hatte all seinen Mut zusammengenommen. »Vater, das passt einfach nicht zu dem, was ich bin. Es tut mir leid. Ich weiß, dass du Gefälligkeiten einholen musstest, um mir dies zu ermöglichen. Aber ich wünschte, du hättest vorher mit mir gesprochen. Ich war schon auf Schiffen und habe gesehen, wie die Mannschaften dort leben. Es ist schmutzig, miefig und feucht, das Essen ist fade, und die meisten meiner Kameraden wären rüpelhafte, ungebildete Flegel. Für die Arbeit an Deck braucht man nichts weiter als einen starken Rücken und kräftige Hände. So jemand möchte ich nicht sein, ein barfüßiger Matrose, der auf dem Schiff eines anderen an irgendwelchen Tauen zieht! Ich will eine Zukunft, und ich bin bereit, dafür hart zu arbeiten. Aber nicht so! Ich werde dort arbeiten, wo es reinlich und gediegen zugeht, unter netten Menschen. Ich mag es einfach, wenn die Dinge sauber sind. Ist das denn so verkehrt?«
Sein Vater ließ sich nach hinten gegen die Stuhllehne fallen. »Ich verstehe dich nicht«, sagte er brüsk. »Ich verstehe dich kein bisschen. Weißt du, was es mich gekostet hat, dieses Angebot für dich zu bekommen? Ist dir klar, wie ich dastehe, wenn ich es ablehne? Kannst du denn gar nichts von dem gutheißen, was ich für dich tue? Das ist eine goldene Gelegenheit für dich, Sedric! Und du schlägst sie aus, weil du ›es magst, wenn die Dinge sauber sind‹?«
»Bitte schrei ihn nicht an«, mischte sich seine Mutter unklugerweise ein. »Bitte, Polon, können wir nicht ruhig und gesittet darüber reden?«
»Und vielleicht auch noch ›sauber‹?«, hatte sein Vater geknurrt. »Ich gebe auf. Ich habe mein Bestes für den Jungen getan, aber er will nichts anderes, als im Haus herumzuspazieren, Bücher zu lesen und mit seinen müßigen Freunden auszugehen. Schön und gut, aber die Väter dieser Freunde haben immerhin genug Geld, um Müßiggänger heranzuziehen, ich aber nicht. Du bist mein Erbe, Sedric, doch kann ich dir nicht sagen, was du erben wirst, wenn du dich nicht bald zusammenreißt. Schau nicht auf den Boden! Sieh mir in die Augen, wenn ich mit dir rede!«
»Bitte, Polon!«, hatte seine Mutter gefleht. »Sedric ist eben einfach noch nicht bereit dafür. Und weißt du, er hat recht, du hättest es vorher mit ihm besprechen sollen, bevor du die Stelle für ihn gesucht hast. Du hast ja nicht einmal mit mir darüber gesprochen!«
»Weil Gelegenheiten wie diese nicht auf einen warten! Wenn sich so etwas auftut, muss man sofort zugreifen, will man sein Glück machen. Aber das will Sedric ja nicht, nicht wahr? O nein, denn er ist noch nicht bereit, und es ist nicht ›sauber‹ genug für ihn. Nun gut. Dann behältst du ihn eben hier bei dir zu Hause. Mit deiner Nachgiebigkeit hast du den Jungen ohnehin verdorben. Und wie du ihn verdorben hast!«
Sedric rutschte auf der engen Liege hin und her und versuchte, die unangenehme Erinnerung zu vertreiben. Doch sie kehrte in Gestalt einer neuen Frage zurück. Glaubte sein Vater immer noch, dass er »verdorben« war? Sedric war bewusst, wie sehr es seinen Vater geschmerzt hatte, als er ihm eröffnet hatte, dass er eine Stelle als Hest Finboks Sekretär angenommen hatte. Selbst seine Mutter, die um einiges geduldiger und nachgiebiger mit Sedric war, war bei der Vorstellung zusammengezuckt, dass ihr Sohn sich in ein solches Arbeitsverhältnis begeben würde. »Das ist einfach keine Tätigkeit für einen Händlersohn, selbst wenn er nicht der Erstgeborene ist. Ich weiß, dass es dabei Aufstiegsmöglichkeiten gibt, und sogar dein Vater meinte, dass du vielleicht nützliche Kontakte knüpfst, wenn du Hest auf seinen Geschäftsreisen begleitest. Aber weißt du, man könnte schon meinen, du hättest deine Karriere doch in einer etwas höheren Position als ausgerechnet als Sekretär beginnen können.«
»Hest behandelt mich gut, Mutter. Und er bezahlt mich auch gut.«
»Dann hoffe ich, dass du dir Geld zur Seite legst. Denn so gut Hest Finbok auch aussieht, und so reich seine Familie auch ist, hat er doch den Ruf, in seinem Streben eine gewisse Flatterhaftigkeit zu zeigen. Glaube ja nicht, dich für den Rest deines Lebens auf ihn verlassen zu können, Sedric.«
Als
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