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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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keinen. Er senkte den Kopf und wischte sich den Regen aus dem Gesicht.
    »Auf einer Hochzeit weinen? Was seid Ihr nur für ein gefühlsduseliger Narr.«
    Erschrocken wandte er sich um. Er hatte nicht damit gerechnet, dass außer ihm noch jemand anders bei diesem Wetter draußen sein würde. Noch größer war der Schreck, als er feststellte, dass es sich dabei um Hest handelte und dass dieser ihm gefolgt war. Er hatte zu der Gruppe an der Tür gehört. Außer seinem Namen und seinem Ruf wusste Sedric nichts über ihn. Der reiche und beliebte junge Händler bewegte sich in höheren gesellschaftlichen Sphären, die sich nicht mit Sedrics Kreisen überschnitten. Deshalb fragte sich Sedric, weshalb der Händler ihm in die stürmische Nacht hinaus gefolgt war? Sein langer dunkelblauer Mantel wirkte im Dämmerlicht beinahe schwarz. Den Kragen hatte er hochgeschlagen, sodass sein Gesicht davon eingerahmt war.
    »Das ist nur Regen. Ich bin hinausgegangen, um mich etwas auszunüchtern, weil ich zu viel Wein getrunken habe.«
    Hest hörte ihm schweigend zu, den Kopf in spöttischer Schräglage. Als Antwort auf die Lüge zog er die fein geformte Augenbraue hoch.
    »Ich weine nicht«, fügte Sedric abwehrend hinzu.
    »Tatsächlich?« Im nassen Schneegestöber kam Hest auf ihn zu. Inzwischen war es eindeutig Schnee. Dicke Flocken sammelten sich auf dem dunklen Haar des Händlers. »Ich habe gesehen, wie Ihr das glückliche Paar beobachtet habt, und dachte mir: Das ist ein verschmähter Liebhaber, der zuschauen muss, wie sein Traum ohne ihn davonspaziert.«
    Sedric musterte ihn misstrauisch. »Ich kenne die Braut kaum«, sagte er. »Prittus war mein Lehrer. Ich bin nur hier, um ihm Glück zu wünschen.«
    »Wie wir alle«, pflichtete Hest ihm leichthin bei. »Unser teurer Freund Prittus tritt in eine neue Phase seines Lebens ein. Er nimmt die Pflichten eines Ehemanns auf sich. Und auch wenn wir, seine liebenden Freunde, ihn dann deutlich weniger zu Gesicht bekommen, wünschen wir ihm alles Gute.« Es wurde allmählich dämmriger, und die Schatten der immergrünen Bäume raubten dem Winternachmittag zusätzliches Licht. Und mit dem Licht schwanden auch die Farben. Hests Gesicht bestand nur noch aus weißen und grauen Flächen. Seine schmalen Lippen krümmten sich zu einem feinen Lächeln, als er fragte: »Und was hat Prittus Euch beigebracht?«
    »Chalcedanisch. Mein Vater sagt, dass jeder Händler akzentfrei Chalcedanisch sprechen muss. Prittus spricht es wie ein Muttersprachler, denn er hatte einen Lehrer aus Chalced.«
    Hest blieb weniger als eine Armeslänge vor ihm stehen. »Chalcedanisch?« Sein Lächeln wurde breiter und offenbarte sogar ein paar Zähne. »Ja, ich gebe Eurem Vater recht. Jeder Händler sollte Chalcedanisch sprechen. Manche behaupten, dass sie auf ewig unsere Feinde bleiben werden. Und ich meine, dass dies ein Grund ist, so viel wie möglich über sie zu erfahren. Nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihre Gepflogenheiten. Erzfeinde oder nicht, wenn wir Waren kaufen und verkaufen wollen, müssen wir zwangsläufig mit ihnen Handel treiben. Und dabei werden sie jeden übers Ohr hauen, der sich nicht vorsieht. Aber man muss mehr als nur ihre Sprache kennen. Selbst wenn man die Sprache spricht, verrät man sich doch als Fremder, wenn man die Bräuche des Landes nicht kennt. Und dann wird man auch nicht recht angenommen. Seht Ihr das auch so?«
    »Ich denke schon.« Der hochgewachsene Händler war betrunken, entschied Sedric. Er stand so dicht vor ihm, dass Sedric den vom Alkohol geschwängerten Atem riechen konnte.
    Auf verwirrende Weise ruhte der Blick von Hests dunklen Augen auf Sedrics Gesicht. Der Händler fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sagte: »Na dann, lasst mich Euren Akzent hören. Sagt etwas auf Chalcedanisch.«
    »Was?«
    »Das ist nicht Chalcedanisch.« Hest grinste. »Probiert es noch einmal.«
    »Was möchtet Ihr denn gerne hören?« Sedric fühlte sich in die Enge getrieben. Wollte der Händler ihn hänseln oder ihn kennenlernen? Sein Tonfall stand auf der Schwelle zwischen spöttisch und freundlich.
    »Das wäre gut, genau. Sagt: ›Bitte, Herr, was möchtet Ihr denn gerne hören‹?«
    Sedric brauchte einen Augenblick, um den Satz zu konstruieren, doch dann sprach er die Frage fließend aus. Aber Hest schüttelte den Kopf und ließ die Mundwinkel hängen. »Ach du liebe Güte. Nicht so. Ihr müsst den Mund weiter aufmachen. Chalcedaner sind sehr redselige Leute.«
    »Was?«
    »Sagt es

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