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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hast, vor aller Augen. Tats macht mir keine Avancen, er hat mir gegenüber keine derartigen Gefühle. Niemand wird mir gegenüber jemals solche Gefühle haben.« Anfangs hatte Thymara mit tiefer, beherrschter Stimme gesprochen, doch am Ende war ihre Kehle so zugeschnürt, dass sie nur noch ein hohes, piepsiges Flüstern hervorbrachte. Aus den Augenwinkeln quollen Tränen, die bei ihr selten und schmerzhaft säurehaltig waren. Sie stachen ihr in den geschuppten Lidern. Wütend wischte Thymara sie weg. Plötzlich ertrug sie es nicht mehr, mit ihrer Mutter, die sie geboren und für sie seither nichts als Hass empfunden hatte, in einem Raum zu sein. »Ich geh raus und setze mich irgendwohin. Allein.«
    »Aber bleibe da, wo ich dich sehen kann«, gab ihre Mutter brüsk zurück.
    Thymara bedachte ihre Mutter nicht mit einer Antwort.
    Doch sie widersetzte sich ihr auch nicht. Sie kletterte auf einen der Äste, an denen ihre Hütte aufgehängt war, und ging vor bis an seine Spitze. Damit wäre ihre Mutter zufrieden. Der Ast war eine Sackgasse, und wenn ihre Mutter sich tatsächlich vergewissern wollte, dass ihre Tochter allein war, brauchte sie nur aus dem Fenster zu schauen. Thymara ging weiter hinaus als sonst, und schließlich setzte sie sich auf den Zweig und ließ die Beine auf einer Seite hinunterbaumeln. Sie wagte es, sich vornüberzubeugen und in die Tiefe zu blicken. Wenn sie genau hinsah, erkannte sie die hellen Lichter, die unter ihr funkelten. Jedes stammte von einem Fenster. Manche waren so strahlend wie Laternen, andere nur wie der Schimmer eines fernen Sterns in der Tiefe des Waldes.
    Wenn sie ihren Fokus veränderte, konnte sie das Gitter aus dunklen Balken und Streifen erkennen, das der Wald über die Lichter legte. Sollte sie in die Tiefe stürzen, würde ihr Leib nicht ungehindert bis auf den Grund des Waldes fallen. Nein. Sie würde Äste streifen und von ihnen abprallen, und gegen ihren Willen würde sie sich reflexartig an jeden Zweig klammern, den sie während ihres Sturzes zu fassen bekam. Ein Sturz in den schnellen Tod war hier nicht möglich.
    Das hatte sie mit elf Jahren erfahren müssen. Eigenartigerweise erinnerte sie sich an diesen Tag nur noch bruchstückhaft. Alles hatte mit einer Begegnung auf dem Markt am Stamm begonnen. Wenn sie sich recht entsann, hatte sie an diesem Tag ihrer Mutter zum letzten Mal Blumen aus den Baumkronen gebracht, damit diese sie auf dem Markt verkaufen konnte. Und sie hatte ihre Mutter dorthin begleitet. Auf den Märkten im Zentrum konnte man die Blumen am besten an den Mann bringen, denn dort waren die Stege riesig, und es kreuzten sich viele Hängebrücken aus anderen Bäumen. Hier herrschte reger Verkehr, und je weiter man nach unten kam, desto reicher wurde die Kundschaft. Die Blüten, die sie gesammelt hatte, waren so groß wie ihr Kopf, strahlten in tiefstem Purpur und leuchtendem Rosa und verströmten einen köstlichen Duft. Ihre Blütenblätter waren dick und wächsern, und daraus ragten strahlend gelbe Staubgefäße und Kelchblätter hervor. Sie erbrachten einen guten Preis, und zweimal hatte ihre Mutter Thymara zugelächelt, als sie Silbermünzen in ihren Beutel gesteckt hatte.
    Thymara hatte neben der Matte mit den Waren ihrer Mutter gehockt. Da war ihr Blick auf ein Paar Füße in Pantoffeln gefallen, die unter der blauen Robe eines Händlers hervorlugten und sich lange Zeit nicht von der Stelle gerührt hatten. Als Thymara aufsah, erblickte sie das Gesicht eines alten Mannes. Er sah sie düster an und trat einen Schritt zurück, doch seine unverblümten, tadelnden Worte galten ihrer Mutter. »Wieso habt Ihr ein solches Mädchen behalten? Schaut sie Euch nur an, diese Nägel, diese Ohren – sie wird nie ein Kind zur Welt bringen! Ihr hättet sie aussetzen und es erneut probieren sollen. Sie kostet nur Nahrung und wird nie etwas zurückgeben. Ihr Leben ist nutzlos, und sie stellt für uns alle eine Belastung dar.«
    »Es war ihres Vaters Wille, dass sie leben sollte, und er hat sich durchgesetzt«, beeilte sich ihre Mutter zu sagen. Beschämt senkte sie den Blick angesichts des Tadels des Alten. Zufällig traf ihr Blick dabei Thymara, die verletzt zu ihr aufgeschaut hatte, weil ihre Mutter sie nur so halbherzig verteidigte. Vielleicht rang ihr Blick der Mutter ein Quäntchen Mitleid ab, denn sie sagte: »Sie arbeitet schwer. Manchmal begleitet sie ihren Vater beim Sammeln, und dann bringt sie jedes Mal fast genauso viel nach Hause wie er.«
    »Dann sollte

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