Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
für sich. Fast jeder Händler konnte auf ein heimliches Arsenal an Zauberei oder Technologie zurückgreifen. Daher mischte man sich besser nicht allzu sehr in die Angelegenheiten der anderen ein. Leftrin hatte keinerlei Schwierigkeiten bekommen, und seine Gewinne stiegen beständig.
Alles war gut gegangen, bis einer der Holzschnitzer die Sache gegenüber einem chalcedanischen Kaufmann ausgeplaudert hatte. Daraufhin war der Jäger an Bord gekommen, der ihn, seinen Landsmann, unter Druck gesetzt hatte. Leftrin knirschte so sehr mit den Zähnen, dass man es hören konnte. Er spürte, wie Teermann unter ihm wütend die Füße in den Schlamm stieß. Verrat! Verrat darf nicht geduldet werden. Der Verräter muss bestraft werden.
Sofort nahm Leftrin die Hand von der Reling und zügelte seine Gefühle. Als Kapitän eines Lebensschiffs galt es stets, seine eigenen finsteren Gedanken im Zaum zu halten. Denn die konnten das Schiff auf gefährliche Weise beeinflussen. Die deutliche Reaktion von Teermann jagte ihm einen Schreck ein. Selten gab der Kahn seine Gedanken so unverblümt preis. Und Leftrin hatte nicht bemerkt, dass er den Jäger so sehr hasste. Deshalb wies er ihn nun ruhig darauf hin, dass der Fluss das Problem für sie erledigt hatte. Jess war dahin, aller Wahrscheinlichkeit nach ertrunken.
Bei diesem Gedanken spürte er die grimmige Genugtuung des Schiffes, in die sich eine Spur blutrünstiger Belustigung mischte. Wusste Teermann etwa mehr über Jess’ Schicksal, als er ihm erzählt hatte? Doch diesen Gedanken verdrängte er rasch wieder. Das Lebensschiff hatte ein Recht auf seine Geheimnisse. Falls Teermann den Jäger im Wasser rudernd gesehen und sich absichtlich von ihm abgewandt hatte, dann war das seine Sache, nicht die Leftrins.
Mach dir darüber keine Sorgen. Das war gar nicht nötig.
Leftrin achtete nicht auf den belustigten Unterton. »Nun, da bin ich aber froh, Teermann . Das freut mich. Wenn ich vor der Entscheidung gestanden hätte, nun ja. Was für ein Glück, dass ich nichts damit zu tun hatte.« Er spürte die ruhige Zustimmung des Schiffes. »Und morgen können wir damit rechnen, dass Carson zurückkehrt.«
Ja, darauf solltest du dich gefasst machen.
Manchmal wusste das Schiff einfach Dinge. Der Kahn hatte Carsons Horn gehört, als dieser die Überlebenden gefunden hatte, und er hatte Leftrin darauf aufmerksam gemacht. Der Kapitän hütete sich davor, Teermann nach Einzelheiten auszuquetschen und ihn zu fragen, wieso er diese Dinge spüren konnte. Nur ein einziges Mal war Teermann in der Stimmung gewesen, ihm etwas zu verraten, und da hatte er lediglich gesagt: Manchmal teilt der Fluss seine Geheimnisse mit mir. Manchmal, aber nicht immer. Deshalb glaubte Leftrin es ihm einfach, dass Carson am kommenden Tag wieder zu ihnen stoßen würde, und sparte sich alle weiteren Fragen. Stattdessen schlug er vor: »Dann werden wir morgen wohl flussaufwärts aufbrechen. Oder sollen wir noch einmal eine Nacht ankern?«
Wahrscheinlich noch eine Nacht hierbleiben. Die Drachen können ein wenig mehr Ruhe gebrauchen, und es gibt noch immer genügend tote Fische als Futter. Wenn sie sich schon erholen müssen, dann können sie das immerhin dort machen, wo es etwas zu fressen gibt. Auch wenn es stinkt.
»Wird ihnen davon schlecht?«
Drachen halten mehr aus als die schwächlichen Menschen. Aas missfällt zwar dem Gaumen, und wenn man zu viel davon isst, bekommt man womöglich Bauchschmerzen. Aber Drachen können alles fressen, wenn sie müssen, und wenn es nur toten Fisch gibt, dann essen sie ihn eben. Und machen weiter.
»So wie wir es tun werden«, bestätigte Leftrin.
Wie es vereinbart ist, erinnerte ihn der Kahn.
»Wie es vereinbart ist«, bekräftigte Leftrin. Was dieses Detail anging, war er Alise gegenüber nicht aufrichtig gewesen. Denn die Wahrheit war, dass er bereits vor seiner Ankunft in Cassarick gewusst hatte, dass er und Teermann die Drachen auf ihrer Reise flussaufwärts begleiten würden. Deshalb war es ihm überhaupt nur möglich gewesen, die Vorräte so schnell zu laden und wieder aufzubrechen. Dass dies so vollkommen zu Alises Plänen gepasst hatte, war ihm wie eine Fügung des Schicksals erschienen, als wäre er dazu bestimmt gewesen, sich ihrer Gesellschaft zu erfreuen. Ihr Strahlen während der Verhandlung zu sehen, war ihm fast wie ein Wunder vorgekommen.
Sie schläft nicht. Sie ist in der Kammer des hinterlistigen Jammerlappens.
»Ich glaube, da sehe ich einmal nach. Vielleicht
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