Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
eigentümliches Geräusch von sich, als er sie am Bein hinaufzog. Dann vernahm sie, wie er sein Hemd überstreifte. Er bückte sich nach seinen Schuhen und hob sie auf. »Ich begleite dich zu deiner Tür«, flüsterte er, doch sie erwiderte: »Nein, geh nur. Ich komme zurecht.«
Er fragte nicht, weshalb sie ihn zu gehen bat. Dafür war sie ihm dankbar. Nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, stand sie auf. Das Nachthemd lag auf dem Boden und war an manchen Stellen kalt und feucht. Doch sie zog es dennoch über den Kopf. Dabei bemerkte sie, dass sich einer ihrer Zöpfe gelöst hatte. Deshalb schüttelte sie auch den anderen aus. Blind tastend glättete sie die Decke auf Sedrics Bett, suchte nach dem »Kissen« und legte es an seinen Platz. Dann tastete sie auf der Matratze und am Boden nach dem Medaillon, fand es aber nicht. Ein weiteres Mal sagte sie sich, dass es ihr egal war. Es war das wertlose Artefakt eines Lebens, mit dem sie nichts mehr verband. Sie huschte aus der Kammer und schloss die Tür.
Nur wenige Schritte brauchte sie zu ihrer eigenen Kabine. Auch hier schloss sie die Tür hinter sich und ertastete ihr Bett. Die Decke war noch kalt, als sie darunterkroch. Sie spürte ein Ziehen in der Leistengegend, ihre Brüste fühlten sich von seinem Bart wundgescheuert an, und sein Geruch hing an ihr. Sie wunderte sich über das, was sie getan hatte, entschied aber trotzig, dass es sie nicht kümmerte. Dennoch vermochte sie die Augen nicht zu schließen. Denn es war ihr durchaus nicht egal, wie sie die Nacht verbracht hatte. Es war ihr wichtiger als jede andere Entscheidung, die sie je in ihrem Leben getroffen hatte. Ohne Reue zu empfinden, starrte sie in die Dunkelheit. Stattdessen ließ sie jeden Augenblick in ihrem Geist noch einmal aufleben. Seine Hände hatten sie auf so zärtliche Weise berührt, und er hatte diese leisen Laute der Lust ausgestoßen, und sein Bart hatte ihre Brüste gekratzt, als er sie geküsst hatte.
Für sie war das alles so neu. Sie fragte sich, ob sie unzüchtig gewesen war oder einfach nur wie eine Frau gehandelt hatte. Waren sie wie Tiere übereinander hergefallen, oder berührten, kosteten, verschlangen sich Menschen, die sich liebten, auf diese Weise? Es kam ihr vor, als hätte sie diese Erfahrung zum allerersten Mal gemacht.
Wahrscheinlich war es so.
Sie schloss die Augen. Die Gedanken an Sedrics Schicksal, an Hest in Bingtown, an ihre wohlanständigen Freundinnen und den Stolz ihrer Mutter und an ihre Rückkehr in jenes Leben drohten über sie hereinzubrechen.
»Nein«, sagte sie laut. »Nicht heute.«
Erneut schloss sie die Augen und schlief.
Er stand barfuß an Deck und sah zum Ufer hinüber. Die Schuhe hatte er in der Hand. » Teermann , was hast du vor?«, fragte er sein Schiff leise.
Die Antwort war rätselhaft. Er konnte sie nicht hören. Zwar fühlte er etwas durch die nackten Fußsohlen auf den Planken, in seinem Herzen. Doch der Kahn behielt seine Weisheit für sich.
Er versuchte es erneut. » Teermann , ich kenne diesen Traum. Ich dachte, es wäre meiner. Wolltest du mir etwas zeigen?«
Diesmal ging ein zustimmendes Zittern durch die Luft. Ein Beben, dann war wieder Ruhe.
»Schiff?«, fragte Leftrin.
Aber er erhielt keine Antwort. Und nach einer Weile trug der Kapitän seine Schuhe davon und suchte seine Koje auf.
Carson hatte die beiden Boote aneinandergebunden. Das war erniedrigend, als würde er auf einem Pferd reiten, das von jemand geführt wurde. Aber Sedric sah ein, dass es das Vernünftigste war. Anstatt dagegen zu protestieren, konzentrierte er sich deshalb lieber darauf, dafür zu sorgen, dass das Seil stets durchhing. Er gab bereitwillig zu, dass er nicht in der Lage war, ein kleines Boot von der Hauptströmung fernzuhalten und flussaufwärts zu steuern. Allerdings wollte er nicht eingestehen, dass er nicht kräftig genug war, sein Boot selbst zu rudern, und deshalb im Schlepptau zum Kahn gezogen werden musste.
Dieser Stolz hatte seinen Preis, wie ihm nun klar wurde. Jeder Ruderschlag war zu einer Herausforderung geworden. Er hatte Blasen an den Händen, die aufgeplatzt und ausgelaufen waren, und nun rieb das Holz sein wundes Fleisch. Carson wandte sich zu ihm um und rief: »Jetzt ist es nicht mehr weit! Die werden sich freuen, wenn sie Euch, den Drachen und das Boot sehen! Das Boot war ein schmerzhafter Verlust.«
Schmerzhafter wahrscheinlich als der Verlust eines Pinkels aus Bingtown, dachte Sedric grimmig. Ihm war bewusst, dass
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