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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wandte sich jedoch nach Achtern und ging zum Heck. Dieses bot ihm eine Sicht auf den glitzernden Fluss, der rasch am Schiff vorbeizog. Der Mond über ihm war fast voll und schwamm in einem Meer funkelnder Sterne. Wenn er in diese Richtung schaute, sah er kein Anzeichen von Menschen. Hinter sich hörte er das Treiben der Hüter. Heute Abend waren sie ausgelassen. Reichlich klares Wasser und gegrillter Fisch. In ihrer einfachen Welt war damit alles zum besten bestellt. Nicht aber in seiner.
    »Mir ist alles genommen«, vertraute er der Nacht an. Er hielt sich seine Verluste vor Augen und zählte sie auf. Kein Hest mehr. Kein Zuhause in Bingtown mehr. Kein Vermögen. Seine Freundschaft mit Alise lag in Trümmern. Auch sein Gesicht hatte er verloren. Sollte er nach Bingtown zurückkehren, würden sich die Leute angewidert abwenden, die einen, weil Hest ihn hatte fallen lassen, die anderen, weil seine Schönheit dahin war. In seinen Kreisen war es ziemlich gefährlich, mit jemandem befreundet zu sein, den Hest verstoßen hatte. Kein Ansehen mehr, keine Aussichten mehr. Was blieb ihm noch?
    Nichts. Vor ihm lagen Jahre des Nichts.
    Drei Herzschläge lang zog er Alises Lösung in Erwägung. In der Regenwildnis zu bleiben. Niemals heimzukehren. Aber sie hatte jemanden, der sie aufnehmen und sich um sie kümmern würde. Er hatte niemanden außer einer Drachin. Eine Drachin, die ihm ergeben war. Doch wie lange würde das währen, wenn sie von seinen wahren Motiven erfuhr, aus denen heraus er in die Regenwildnis gekommen war? Er wagte nicht, genauer darüber nachzudenken, weil er Angst hatte, dass sie seine Gedanken las. Er konnte nicht begreifen, wieso sie sich nicht daran erinnerte, dass er nachts zu ihr geschlichen war, um ihr Schuppen zu entreißen und Blut abzunehmen. Hatte sie es vergessen? Wenn es ihr aber bewusst war, wie konnte sie ihn dann immer noch schätzen?
    Eines Tages würde es ihr dämmern.
    Er stellte sich vor, was dann passieren würde. Als Relpda ihn mit ihrem Geist berührt hatte, war er zum ersten Mal in seinem Leben in der Lage gewesen, die Liebe eines anderen Wesens zu spüren. Mit jedem Tag wuchs ihr Verstand, ihre Gedanken wurden kräftiger und klarer. Was würde sie ihm gegenüber empfinden, wenn ihr bewusst würde, dass er nicht als Freund, sondern als Schlächter zu ihr gekommen war?
    Und würde sie dieses Gefühl dann auch mit ihm teilen, wie sie ihre Liebe geteilt hatte? Wie es wohl wäre, einen solchen Hass zu spüren?
    Ein Schauer durchlief ihn. Plötzlich begriff er, dass er nicht alles verloren hatte. Er war noch im Besitz der Liebe und der Achtung eines einfältigen Geschöpfs. Aber ihm fiel kein Weg ein, wie er vermeiden konnte, dass er sie am Ende ebenfalls verlor. Und er konnte sich nicht vorstellen, das zu ertragen. Mit würgender Gewissheit sah er vor sich den einzigen Ausweg aus seiner Lage.
    Er durfte nicht daran denken, was er vorhatte. Nicht, dass die Drachin seine Gedanken erfasste und alles vereitelte. Selbst diese Gedanken jetzt konnten ihre Aufmerksamkeit erregen. Er wollte sich von ihr verabschieden und ihr sagen, dass es nicht ihre Schuld war. Es war auch nicht ihre Schuld. Sie hatte ihr Bestes für ihn gegeben, hatte ihn immer wieder gerettet. Der Gedanke, sie zu verletzen, versetzte ihm einen überraschend heftigen Stich, und es überkam ihn ein Gefühl der Trauer. Es drängte ihn, Stiefel und Jacke abzulegen. Wie töricht! Was machte es schon für einen Unterschied?
    Sedric? Sedric?
    Nicht jetzt, meine Liebe.
    Hast du Angst? Verfolgt dich jemand? Will dir jemand wehtun?
    Nein. Nein, alles bestens. Alles ist in bester Ordnung.
    Nein, du fürchtest dich. Bist traurig. Etwas ist schlecht.
    So freundlich er konnte, schob er sie aus seinen Gedanken. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Er merkte, wie sie vor seinen Schutzmauern Sturm lief und Alarm schlug. Nun galt es, unverzüglich zu Werke zu schreiten, bevor sie dahinterkam, was er vorhatte. Er betrachtete das Wasser am Heck und suchte sich eine Stelle, wo die Strömung zu sehen war. Dann stieg er auf die Achterreling und versuchte, das glänzende schwarze Wasser einzuschätzen. Ob es tief und reißend genug war? Es brauchte nicht viel, denn er war nie ein guter Schwimmer gewesen. Spring. Spring einfach und wehre dich nicht. Mehr nicht. Entschlossen atmete er aus, ging in die Hocke und sprang.
    Er kam schmerzhaft auf der Seite auf. Sein Kopf schlug gegen etwas, das plötzlich aufflammte. Er dachte, er hätte schon ausgeatmet, aber

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