Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Bingtown Von Händler Elspin von den Regenwildhändlern an Händler Kerwith aus Bingtown. Eine versiegelte Nachricht mit der sofortigen Zahlungsaufforderung einiger überfälliger Verpflichtungen. Diese Nachricht wird als letzte Mahnung versandt, bevor er einen förmlichen Antrag beim Händlerkonzil in Bingtown stellen wird, um die Schuld zwangsweise durchzusetzen.
Erek,
bitte seid nicht töricht. Nachdem Euch meine letzte Nachricht inzwischen erreicht haben muss, solltet Ihr wissen, wie sehr wir uns alle freuen würden, wenn Ihr ein paar Tage für einen Besuch bei uns erübrigen könntet. Ich hoffe, dass Ihr es so einrichten könnt, dass Ihr hier Zeit haben werdet, damit ich Euch Trehaug in seiner Gänze zeigen kann!
Detozi
18
Auf Abwegen
T hymara blinzelte und schloss dann fest die Augen. Ihr war schwindelig. Sie hatte an Teermanns Bug gesessen, hatte die Beine hinunterbaumeln lassen und darüber nachgedacht, wie groß die Welt geworden war. Endlich hatten sich die dichten Wolken der letzten Tage mit dem unaufhörlichen Regen verzogen. Über ihr spannte sich ein endloses Firmament voller Sterne, das von Horizont zu Horizont reichte. Sie hatte zu lange dort hinaufgestarrt, und plötzlich hatte sie das Gefühl, vom Boot herunter und in den Himmel zu stürzen. Jetzt öffnete sie die Augen wieder und blickte aufs Wasser.
Der Wald war verschwunden. Mit jedem Tag war er weiter zurückgewichen, und jetzt war er nur noch ein Streifen am Horizont. Das Schiff lag verloren in einem flachen Sumpf aus Schilf und Binsen. In vereinzelten Grüppchen erhoben sich kleine Bäume und Büsche auf Stelzwurzeln. Inzwischen wussten sie, dass solche Stellen auf äußerst flaches Wasser hindeuteten und dass dort häufig Gallatoren in der Sonne lagen. Die Drachen zeigten vor den Gallatoren keine Furcht, sondern betrachteten sie als stattliche Fleischquelle. Allerdings sahen die größten Gallatoren in den Hütern und ihren kleinen Booten genau dasselbe. Deshalb hatten sich die Hüter angewöhnt, erst einmal abzuwarten, bis die Drachen die Gallatoren aufgefressen hatten, und sich dann erst dem Buschwerk auf Stelzen zu nähern. Die Drachen übernachteten gerne in der Nähe dieser Baumgruppen. Sie hatten es satt, im Wasser zu stehen, aber in der Nähe der Bäume war es wenigstens flacher. Kapitän Leftrin folgte ihnen, aber Thymara war klar, dass er fürchtete, Teermann so gründlich auflaufen zu lassen, dass sich nicht einmal mehr das Lebensschiff aus dem Morast befreien konnte.
Mit dem Wald war auch ihre vertraute Nahrungsquelle gewichen. Nun warfen die Hüter über Nacht Netze aus und rissen Schilf und andere Gräser heraus, um die dicken, stärkehaltigen Wurzeln zu ernten. Vor ein paar Tagen hatten sie das Glück gehabt, dass sich ein Schwarm Wasservögel in Carsons Netz verheddert hatte. Das hatte ihnen frisches Fleisch beschert, wofür sie allerdings mit stundenlangem Flicken des Netzes hatten bezahlen müssen. Das eintönige Essen behagte ihr nicht, und das Gefühl, nutzlos zu sein, noch viel weniger. Da ihre Jagdausrüstung mit der Flut weggespült worden war, blieb ihr nur noch das Sammeln. Und hier gab es nur die Wurzeln und Fruchtstände der hohen Gräser.
Wenigstens schenkte Sintara ihr etwas mehr Beachtung, wenn auch keine Freundlichkeit. Jeden Abend verlangte die Drachin, geputzt zu werden. Das war im Wasser schwierig, und Sintara musste es sich gefallen lassen, dass Thymara ihr auf den Rücken und ins Genick kletterte, um an alle Stellen heranzukommen, die geputzt werden mussten. Mit groben Grasbüscheln bürstete sie Insekten aus ihren Schuppen und polierte die Haut der Drachin, doch die Schilfhalme schnitten ihr in die Hand. Thymara taten diejenigen Hüter leid, deren Hände nicht so stark geschuppt waren wie ihre eigenen.
Obwohl das Putzen so beschwerlich war, bestand Sintara auf äußerster Gründlichkeit. Den Großteil des Abends hatte Thymara allein mit den Schwingen zugebracht. Trotz der Unstimmigkeiten zwischen ihr und der Drachin hatte sie es genossen. Wenn Sintara jetzt ihre Flügel ausbreitete, sah man das feine Flechtwerk der Knochen und Knorpel und die Farbmuster, und es war, als reinigte man bunte Glasfenster. Die Schuppen mit ihren Fransenrändern erinnerten sie an durchscheinende Federn. So sehr die Schwingen auch gewachsen waren, die Haut war fein und weich geblieben. Die überlappenden Schuppen lagen so dicht, dass man kaum dazwischenkam. Und wenn Sintara die Schwingen wieder zusammenfaltete,
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