Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
sich vor Scham zusammen. Er sah Carson nicht ins Gesicht. »Das war mein Plan, als ich mit Alise zu dieser Reise aufgebrochen bin. Ich wollte nur so lange bleiben, bis ich Drachentrophäen zum Verkauf hatte, und dann wollte ich nach Bingtown zurückkehren. Das alles wollte ich dem Fürsten von Chalced verkaufen. Dann wäre ich reich gewesen und wäre mit Hest abgehauen, um mit ihm zu leben, wie es uns beliebte.«
Nachdem er die Worte herausgebracht hatte, blieb er regungslos sitzen und starrte die kleinen Gefäße an. Es war, als hätte er etwas Verdorbenes erbrochen, das nun dampfend und stinkend zwischen ihnen lag. Er sah, dass Carson die Hand ausstreckte, um eines der Glasfläschchen anzufassen, sie aber sogleich wieder zurückzog. Er sprach stets mit tiefer Stimme. Manchmal, wenn er Sedric in seinen Armen hielt, konnte dieser die Vibrationen seiner Worte in der Brust spüren. Noch nie hatte er den Jäger mit so tiefer Stimme sprechen hören wie jetzt, als ob sie unter der Last der Verwirrung abgesackt wäre.
»Ich verstehe nicht … Hast du Leftrin nicht genau das vorgeworfen? Dass er Alise benutzt hat, um an Drachentrophäen heranzukommen? Und Jess … oh.« Zwei Atemzüge lang dachte Carson darüber nach. »Jetzt begreife ich. Deshalb ist Jess davon ausgegangen, dass du ihm dabei helfen würdest, Relpda zu töten, stimmt’s? Er wusste es. Er glaubte, dass er sie mit dir zusammen ausschlachten und dann mit dem Boot nach Trehaug zurückfahren könnte. Oder nach Chalced. Habt ihr zusammengearbeitet?«
»Gütiger Sa, nein! Niemals!« Jetzt sah er Carson ins Gesicht, und was er erblickte, zerriss ihm das Herz. Denn Carsons Züge waren verschlossen und sein Blick gab nichts preis. Lauernd. Darauf lauernd zu hören, wie er getäuscht und zum Narren gehalten worden war. Fragend. Hatte Sedric noch immer diesen Plan? Sedric musste den Blick senken. »Jess wusste, was ich getan habe. Er hat mich einmal nachts beobachtet, als ich an Bord zurückkam, und hat gesehen, wie ich meine blutigen Kleider in den Fluss geworfen habe. Aber ich habe … Ich weiß nicht, warum. Ich werde es nie begreifen, warum. In jener Nacht habe ich von Relpdas Blut getrunken. Du hast geglaubt, ich hätte mich vergiftet. Aber das war es nicht, es war das Blut.«
Er versuchte, sich jene Tage in Erinnerung zu rufen, doch sie waren fern und unwirklich. »Ein paarmal war Jess in meiner Kammer, als ich aufgewacht bin. Ich nahm an, dass er nach mir sehen wollte, wie du und Davvie es getan habt. Aber jetzt weiß ich, dass er nur gesucht hat, denn er wusste, dass ich das Zeug hatte. An dem Tag, an dem ich … an dem ich ihn getötet habe, hat er mir die Schuppe von Rapskals roter Drachin gezeigt. Die hatte mir Alise gegeben, damit ich sie für ihre Tagebücher abzeichnete. Später hat sie sie dann vergessen, und ich habe sie behalten. Davon hat Jess gewusst, und er hat sie gefunden. Er meinte, dass er die anderen Sachen nicht gefunden hätte, aber vermutlich hat er Greft davon berichtet, und dieser hatte mehr Erfolg bei seiner Suche. Ich glaube, Greft hat das Boot gestern Nacht nicht genommen, um nach Trehaug zurückzukehren. Und auch nicht, um die Trophäen nach Chalced zu schaffen und dort zu verkaufen. Sondern weil er sich selbst damit heilen wollte. Um in Ordnung zu bringen, was mit ihm nicht mehr stimmte.«
Darauf folgte eine lange Stille. Als Carson endlich etwas sagte, klang er bedächtig und vorsichtig, als müsse er seinen Satz Wort für Wort zusammenbauen. »Doch das hat nicht geklappt. Er hat das Blut getrunken und die Schuppen gegessen, aber es hat ihn nicht geheilt.«
»Vielleicht geht das nur, wenn es ein Drache anleitet«, mutmaßte Sedric zögernd. »Vielleicht hätte es ihn auch nach einer gewissen Zeit geheilt. Oder es hat ihn geheilt, aber das Gallatorengift hat ihn dennoch getötet.«
»Vermutlich spielt das auch keine Rolle mehr«, sagte Carson leise.
»Es tut mir leid, dass ich dir nicht vertraut habe. Entschuldige, dass ich dir nicht von Anfang an die ganze Geschichte erzählt habe.«
»Du kanntest mich ja nicht«, räumte Carson ein. Auch wenn die Worte versöhnlich waren, so war die Distanz in seiner Stimme noch immer spürbar.
»Es ist nicht nur das«, beharrte Sedric. »Ich habe Alise genauso behandelt, wie ich es Leftrin vorgeworfen habe. Ich habe sie benutzt, um an die Drachen heranzukommen und mir zu nehmen, was ich für meine eigenen Zwecke haben wollte. Aber in meinen Gedanken waren das irgendwie zwei
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