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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die er nicht zu beantworten wagte, hing wie eine geschliffene Messerklinge zwischen ihnen und drohte, sie in Stücke zu schneiden. Er nahm den einzig sicheren Kurs. Er log. »Es ist alles in Ordnung, Alise. Alles wird gut.«
    Und noch bevor sie fragen konnte, was in Ordnung war und was wieder gut werden würde, brachte er sie auf die einzige Art zum Schweigen, die ihm zu Gebote stand. Er zog sie auf die Beine und nahm sie in die Arme. So hielt er sie fest an sich gedrückt und neigte den Kopf über ihren. Doch es war alles verkehrt. Er sah ihre zierlichen Hände auf dem groben, schmutzigen Stoff seines Hemds. Ihr Haar roch nach Parfüm, und es war so fein und weich, dass es sich in seinen Bartstoppeln verfing. Er spürte, wie klein sie war, wie zerbrechlich. Ihre Bluse war weich auf seinen Handflächen, und die Wärme ihrer Haut drang geradewegs durch sie hindurch. In jeder Hinsicht war sie das Gegenteil von ihm selbst, und er hatte nicht das Recht, sie zu berühren, nicht das geringste Recht. Selbst wenn sie keine verheiratete Dame gewesen wäre, und nicht wohlerzogen und gebildet, wäre es noch immer falsch für zwei derart unterschiedliche Menschen gewesen, zusammenzukommen.
    Und dennoch wehrte sie sich nicht, noch rief sie um Hilfe. Ihre Hände hämmerten nicht gegen seine Brust. Stattdessen gruben sie sich in sein raues Hemd, um ihn fester an sich zu drücken. Sie schmiegte sich an ihn, und auch jetzt waren sie in jeder Hinsicht gegensätzlich, doch war es auch in jeder Hinsicht wundervoll. Einige Zeit hielt er sie schweigend, und während dieser wenigen Augenblicke vergaß er Jess’ Verrat, seine Verwundbarkeit und die Gefahren, die ihnen allen drohten. Ganz gleich, wie kompliziert alles andere auch sein mochte, dies war einfach – und vollkommen. Er wünschte sich, in diesem Moment verweilen zu können, ohne sich zu rühren, ohne auch nur an all die Verwicklungen denken zu müssen, die ihm drohten.
    »Leftrin«, sprach sie den Namen an seine Brust.
    In einer anderen Zeit und an einem anderen Ort wäre dies eine Einwilligung gewesen. Doch hier und jetzt brach ihre Stimme den Bann. Der schlichte Augenblick, ihre kurze Umarmung war vorüber. Mehr würde er nie von diesem anderen Leben kosten. Er senkte den Kopf ein wenig, um seinen Mund über ihr Haar streifen zu lassen. Dann entließ er sie mit einem schweren Seufzer. »Es tut mir leid«, murmelte er, auch wenn es ihm nicht leidtat. »Entschuldigt, Alise. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Ich sollte wohl nicht zulassen, dass Jess mich so in Rage bringt.«
    Noch immer hielt sie sein Hemd gefasst, zwei kleine, mit Stoff gefüllte Hände. Sie drückte ihm die Stirn gegen die Brust, und er wusste, dass sie nicht wollte, dass er sich von ihr löste. Sie wollte, dass er zu Ende brachte, was er begonnen hatte. Sich von ihr zu lösen, war, als müsse er ein anhängliches Kätzchen abschütteln, umso schwerer, als er es selbst nicht wollte. Er hätte sich nie träumen lassen, dass er einmal eine Frau »zu ihrem eigenen Wohl« mit sanfter Gewalt von sich stoßen würde. Aber er hätte auch nie gedacht, dass er sich einmal in einer solch heiklen Lage befinden würde. Bevor er die Sache mit Jess nicht endgültig aus der Welt geräumt hatte, durften sie sich nichts gestatten, wodurch man Alise als Waffe gegen ihn ins Feld führen konnte.
    »Mir scheint, als wären wir in eine gefährliche Strömung geraten. Ich muss mal eben mit Swarge reden«, log er. Dies gab ihm einen Vorwand, die Küche zu verlassen und weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen. Und er konnte sich vergewissern, dass Jess tatsächlich von Bord des Kahns gegangen war und sich auf die Jagd gemacht hatte.
    Als er sie sanft von sich schob, sah sie in völliger Verwirrung zu ihm auf. »Leftrin, ich …«
    »Ich bin bald wieder da«, versprach er und wandte sich von ihr ab.
    »Aber …«, hörte er sie noch sagen, bevor er sachte die Tür schloss und nach achtern eilte. Sobald er durch die Kombüsenfenster nicht mehr zu sehen war, hielt er inne und ging zur Reling. Er wollte nicht, dass einer seiner Mannschaftsleute erfuhr, in welche Lage er sich gebracht hatte. Zum Henker mit diesem Jess und seinen listigen Andeutungen, zum Henker mit dem Chalcedanischen Kaufmann und zum Henker mit den Schiffszimmerleuten, die ihre Klappe nicht halten konnten. Und zum Henker mit ihm selbst, weil er sie alle in dieses Schlamassel hineingezogen hatte. Als er das Hexenholz gefunden hatte, ahnte er bereits, dass es ihm

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