Raine der Wagemutige
überlassend.
Ja. Er würde ganz bestimmt morgen noch an dem Namen dieses Mannes interessiert sein. Dessen war er sich ganz sicher.
25. KAPITEL
„Ihr müsst verrückt sein! Völlig übergeschnappt! “ keuchte Favor, als Raine sie schwungvoll im Kreis wirbelte. „Wisst Ihr eigentlich, wer das war?“
„Wer? Der Kerl mit der lila Perücke?“ Rafe griff nach ihrer Hand und legte sie sich auf den Unterarm. Er bedeckte sie mit seiner eigenen und streichelte mit den Fingerspitzen sachte ihre Handgelenke, Schauer puren Entzückens ihren Arm hinaufsendend, während sie die vom Tanz vorgeschriebenen Schritte ausführten.
„Favor?“ Er blickte sie aus seinen warmen sherrybraunen Augen an, und ein wissendes Funkeln lauerte darin.
„Hm?“ murmelte Favor, abgelenkt von seinen Zärtlichkeiten.
„Ist das der Kerl, den du meintest?“
„Hm . . .? Ja. Ja! Das, mein Lieber, war niemand anders als Lord Carr.“
Er wich in gespieltem Entsetzen zurück. „Sagt so etwas nicht! Der dämonische Earl persönlich? Aber wo sind sein Pferdehuf und sein Schwanz? Seine Hörner?“
„Wie sollte man unter all dem grässlich violetten Haar Hörner sehen können?“ bemerkte Favor trocken und brachte damit Rafe zum Lachen. Sie betrachtete ihn streng. „Aye. Wir werden schon noch sehen, wie lustig Ihr es finden werdet, wenn Carr Euch nach draußen zerrt und auspeitschen lässt, bis Euer Rücken nichts weiter ist als zerfetztes Fleisch.“
Er grinste. „Würde Euch das kümmern?“
Sie spürte, wie sie rot wurde, und wandte rasch den Blick ab. „Nein.“
„Doch!“
Beinahe konnte sie das zärtliche Lächeln in seiner Stimme hören; es war ihr unmöglich, ihm die Wahrheit zu verwehren. „Ja.“
Sachte drückte er ihre Hand, und Favor trat zu ihm, gezogen von dem Bedürfnis, ihm nahe zu sein, viel näher, als es in der Öffentlichkeit des Ballsaales ratsam war. Und in dieses Verlangen mischte sich ein Gefühl von Dringlichkeit, verstärkte es.
Carr würde um ihre Hand anhalten. Möglicherweise noch in dieser Nacht, aber wenn nicht heute, dann bald. Er hatte sich schon so gut wie erklärt. Wo auch immer er eben hingegangen war, er würde wiederkommen und erwarten, dass sie ihn anhimmelte. Dasselbe erwartete Muira.
Wenn er zurückkehrte, durfte sie nicht mehr hier sein. Sie blickte Rafe von der Seite an. An seinem Profil erkannte sie, dass seine sonst harte, unnachgiebige Miene weicher geworden war. Ihr Eingeständnis gefiel ihm, weil sie, wie sie mit einem Mal begriff, ihm etwas bedeutete. Sie spürte das im tiefsten Innern ihrer Seele, wusste, dass es stimmte, so gewiss, wie sie wusste, dass . . .
„Ich liebe Euch.“
Er starrte sie entgeistert an. Urplötzlich blieb er mitten auf der Tanzfläche stehen, verhielt in der Bewegung. Er fasste sie an den Armen und drehte sie zu sich herum, so dass sie ihn ansehen musste. Reglos schaute er auf sie hinab, die Brauen vor Konzentration zusammengezogen, während er ihr Gesicht studierte.
Um sie herum blieben die anderen Paare, aus dem Rhythmus gebracht, stehen, zögerten und begannen dann schließlich links und rechts an ihnen vorbeizutanzen, so dass die beiden wie eine Insel in einem Strom aus fließenden Samt-und Seidenstoffen dastanden.
„Was?“
„Ich liebe Euch, Rafe. Das wusstet Ihr aber schon, nicht wahr?“ erklärte sie schlicht.
„Nein“, erwiderte er schwach. „Nein, das wusste ich nicht.“
Er blickte nach oben, als ob er sich vom Himmel eine Eingebung erhoffte. Sie zupfte an seinem Ärmel; sie hatten schon viel zu viel Aufmerksamkeit erregt. Wie ein Schlafwandler reihte Rafe sich mit ihr wieder unter die Tanzenden, doch seine Bewegungen waren hölzern und ließen seine gewohnte Anmut vermissen.
Auf der anderen Seite des Ballsaales erhaschte Favor einen Blick auf Muiras wutverzerrte Miene. Der Ausdruck, der in ihren Augen stand, war mörderisch genug, auf eine kürzere Entfernung zu töten. Wenn es nach Favor ginge, dann würde sie den Rest der Nacht diesen Abstand zu der alten Frau einhalten und ihr keinen Schritt näher kommen.
Sie blickte zu Rafe hinauf. Er schien sich von seiner Überraschung immer noch nicht erholt zu haben. Favor konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie sich eigentlich für ihr forsches Benehmen schämen sollte. Sie tat es nicht. Sie hatte keine Zeit mehr für Scham. Sie hatte nur eine Nacht. Heute Nacht.
Auf sie und Rafe wartete kein glückliches Ende. Er war ein Dieb und entflohener Sträfling, ohne Familie, ohne
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