Raine der Wagemutige
Docks treffen sollten, einen Mann erwartet, einen Engländer. Gestern ist eine Nachricht von ihm angekommen. Darin ereifert er sich darüber, zugestimmt zu haben, eine Frau an Bord seines Schiffes zu lassen. Er sagt, das bringe Pech. Dass seine Männer dagegen aufbegehren werden. Er geht sogar so weit, vorzuschlagen, dass wir uns eine andere Passage suchen, aber er schließt sein Schreiben mit der widerwilligen Erklärung, er werde sein Wort halten.“
Raine wartete. Sie streckte in einer Geste der Ungeduld ihre Hände aus, die Handflächen nach oben gekehrt. „Versteht Ihr denn nicht? Ich bin allein. Die Überfahrt ist bereits bezahlt, und ich habe kein Geld übrig. Es gibt keinen einzigen Grund mehr, warum dieser Schmuggler, dieser .. . pirate seiner Verpflichtung nachkommen sollte. Ich brauchte einen Engländer, und Jacques hier wusste, wo ich einen finden konnte.“
„Und wie kommt Jacques zu diesem Wissen?“
„Meine Tante ... in Wirklichkeit ist sie Madame Noir. Jacques ist ihr Majordomus. Er hat mich schon immer sehr gerne gemocht, sogar schon, als ich noch ein Kind war, und als er herausfand, in welchen Schwierigkeiten ich stecke, da hat er ... er hat mir eine Lösung aufgezeigt. “ Zum ersten Mal, seit er ihr den Schleier von ihrem rotgoldenen Haar gezogen hatte, wirkte sie verlegen und beschämt.
Raine richtete seinen Blick auf Jacques und betrachtete ihn nachdenklich. Der Mann sah nicht wie der Majordomus einer Adeligen aus, aber zugegebenermaßen verfügte er über wenig Erfahrung mit jenem Menschenschlag und konnte sich keine Meinung dazu anmaßen. „Es war also Eure Idee, einen Engländer aus dem Gefängnis zu besorgen, der sich dann als Mr. Lambett ausgeben sollte.“
„Oui“, stimmte Jacques zu. „Ich wusste um die Arrangements, die Madame Noir traf, das Schema, nach dem sie vorging, die Namen derer, mit denen sie zusammenarbeitete. Ich wusste, dass in der kurzen Zeit, die ihr zur Verfügung stand, das Gefängnis Mademoiselles einzige Hoffnung war, einen willigen Engländer zu finden, der die Rolle ihres Ehemannes übernehmen konnte. “
Alles in Raine drängte ihn, Vorsicht walten zu lassen, argwöhnisch zu sein. Ihm gefiel diese Geschichte nicht. Er misstraute ihr.
„Aber . . .“, er wich ein paar Schritte zurück, sich langsam in Richtung Tür bewegend, die Waffe immer noch auf Jacques gerichtet, „der Erfolg Eures Planes hängt davon ab, einen willigen Engländer zu finden.“
„Monsieur“, schaltete sich wieder die vorgebliche Mrs. Lambett ein und zog ihre Augenbrauen zusammen, „warum solltet Ihr Euch weigern, mir zu helfen, wenn mein Angebot für Euch nur von Vorteil sein kann?“
„Worin genau besteht denn Euer Angebot?“
„Ihr geht heute Nacht zu den Docks und gebt vor, mein Ehemann zu sein. Ihr trefft Euch mit dem Schmugglerkapitän, dann . . .“
„Was dann?“
„Ich komme an, wir gehen an Bord und segeln nach Schottland. Wenn wir dann wieder an Land sind, trennen sich unsere Wege.“
„Was ist mit Klein Angus?“
„Angus? Er wird natürlich bei mir sein.“
„Und einmal in Schottland angekommen, geht Ihr zu Fuß zu diesem großartigen schottischen Besitz Eures Ehemannes?“
„Non!“, entgegnete sie ungeduldig. „Macht Euch nicht lächerlich. Die Familie meines Mannes erwartet mich. . . uns.“ Ein Schatten legte sich über das schimmernde Nachtblau ihrer Augen. Sie stieß einen kaum hörbaren Seufzer aus, fing seinen Blick auf und lächelte traurig. „Klein Angus wird der neue Laird sein, n'est-ce pas ? Auf ihm ruhen all ihre Pläne und Hoffnungen.“
Eine seltsame Weise, es auszudrücken, aber Raine vermutete, dass es Familien gab, in denen ein Sohn derart im Mittelpunkt des Stolzes und der Hoffnung aller stand. Bloß weil es in seiner Familie anders war, musste das nicht heißen, dass es eine Lüge war.
Zum ersten Mal, seit sie begonnen hatte, mit ihm zu sprechen, glaubte er ihr. Nicht jede Einzelheit, ganz gewiss nicht, aber diesen letzten Teil vielleicht schon - wegen der Trauer in ihren Augen. Sie sah so aus, wie er sich eine liebende Mutter vorstellte, der bewusst wurde, was für eine Bürde die Erwartung war, die sich an ihr Kind knüpfte: schicksalsergeben, besorgt und ein wenig erbittert.
„Monsieur, wollt Ihr mir nicht helfen? Welchen Schaden haben wir Euch zugefügt? Ihr habt bereits ein paar Stunden der Freiheit genossen, tragt saubere Kleidung und werdet schon in Kürze ein warmes, herzhaftes Essen vorgesetzt bekommen.“ Sie klang
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