Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
Vom Netzwerk:
konnte er verfluchen.
    Er warf seinen Kopf in den Nacken und verfluchte den Himmel und das Schicksal mit jedem hässlichen, gotteslästerlichen Wort, das er kannte. Er hätte am liebsten vor Wut aufgeheult, wenn er nicht hätte fürchten müssen, ihr damit noch mehr Angst einzujagen. So stand er nur da, mit dunkler Stimme lästerlich fluchend, während er ihr mit erlesener Zärtlichkeit übers Haar streichelte.

26. KAPITEL
    Muira sprang aus der Kutsche, kaum dass sie stehen geblieben waren, griff hinter sich und bekam Favor am Arm zu fassen, zerrte sie nach draußen. Favor stolperte in dem schlammigen Boden und fiel auf die Knie, die leuchtend roten Röcke ihrer alten Highland-Tracht beschmutzend.
    „Wo sind wir?“ fragte sie verstört und blinzelte in die grelle Morgensonne, verwirrt von Schmerz und Schlafmangel. Als sie gestern Nacht in ihr Zimmer zurückgekehrt war, hatte Muira sie vor ihrer Tür schon erwartet. Wortlos hatte sie sie am Arm gepackt und hinter sich her den Flur hinabgezogen, ohne Favors gestotterten Forderungen nach einer Erklärung Beachtung zu schenken, ebenso wie sie die neugierigen Blicke, die ihnen folgten, ignorierte. Sie waren durch die Hintertür zu den Ställen geeilt, vor denen Jamie schon auf dem Bock von Thomas' Kutsche auf sie wartete.
    Da hatte Favor sich zu wehren begonnen, doch Muira hatte ihr einfach eine Ohrfeige gegeben, deren brutale Kraft sie verblüfft hatte. Dann hatte die alte Frau sie vor sich in die Kutsche geschoben, war selbst eingestiegen und hatte den Wagenschlag hinter sich geschlossen. Sie hatte an die Decke geklopft und Jamie zugerufen, die Pferde anzutreiben.
    Den größten Teil der Nacht waren sie gefahren. Muira hatte schweigend in der Ecke gesessen und Favor mit bösen Blicken zu erdolchen gesucht. Es hatte sie, wie Favor sich bitter eingestand, nur wenig überrascht, wie schnell sie aus Rafes leidenschaftlicher Umarmung und von seinen feurigen Worten fort in dieser kalten, stillen Kutsche auf irgendeiner gottverlassenen Straße gelandet war.
    „Wo sind wir?“ wiederholte sie nun.
    „Weißt du das nicht?“ schrie Muira, packte Favor bei den Haaren und riss ihren Kopf nach oben, sie dabei halb auf die Füße zerrend. „Schau dich um!“ Sie öffnete den
    Wagenschlag und stieß sie hinaus, bevor sie selbst aus der Kutsche kletterte.
    „Muira, pass auf. Sie ist doch nur ein Mädchen. . .“, erhob Jamie vom Kutschbock aus Einspruch.
    Muira fuhr zu ihm herum und verdrehte Favor dabei schmerzhaft den Arm. „Ein Mädchen, ach ja?“ zischte sie. „Nun, dieses Mädchen hier hat in Gefahr gebracht, wofür wir all die Jahre so hart gearbeitet und Opfer gebracht haben, alles aufs Spiel gesetzt, nur damit sie sich mit irgendeinem hübschen englischen Hund im Heu wälzen kann!“
    Ein entsetzter Ausdruck, als ob er verraten worden war, flog bei Muiras anklagenden Worten über Jamies raue Züge. „Nicht ganz die unschuldige kleine Novizin, für die du sie gehalten hast, was, Jamie, mein Junge?“
    Jamie wandte den Kopf ab und richtete seinen Blick auf den fernen Horizont.
    „So war es nicht“, flüsterte Favor.
    „War nicht wie was?“ Muira drehte sich wieder zu ihr um. „War er nicht gut, Mädchen? Hat er dir nicht die Beine gespreizt und dich aufschreien gemacht?“
    Favor biss sich auf die Zunge. Sie würde nicht weinen. Nicht vor dieser hasserfüllten alten Frau, gleichgültig, wie sehr sie es sich wünschte - und Gott wusste, wie sehr sie sich wünschte, sich gehen zu lassen und hemmungslos zu weinen.
    Als sie Muiras Plan zugestimmt hatte, war sie sich nicht i darüber im Klaren gewesen, was es sie kosten würde, was sie würde aufgeben müssen. Jetzt tat sie es. Jetzt wusste sie genau, was und wen sie verlor. Und dieses Wissen drohte sie zu überwältigen und völlig zu verschlingen.
    „Nun?“ verlangte Muira forsch zu wissen. „Hast du nicht geschrien?“ Sie deutete hinter Favor. „Sie haben geschrien. “
    Sie sagte das so sachlich, so leichthin, dass Favor einen Augenblick lang nicht begriff, wovon sie sprach.
    Mit einem Gefühl von Unausweichlichkeit schaute sie sich um. Vor dem Hintergrund eines bleiern grauen Himmels zeichnete sich in dem leisen Nieselregen die müde wirkende Ruine eines aus groben Steinen gemauerten Turmes ab. Das Dach war fort, die nach Westen gehende Mauer war eingestürzt und gab den Blick frei auf die Räume im
    oberen Stockwerk. Im Inneren stützten geschwärzte Balken die Wände. Das war das Zimmer, in dem ihre Mutter

Weitere Kostenlose Bücher